Windstrom vom Meer ist mit durchschnittlich 0.12 bis 0.16 Euro pro Kilowattstunde noch relativ teuer. Dank dem Lidar-Messsytem könnten die Kosten sinken. Im Bild dere Windpark Rødsand I, E.ON Sverige. ©Bild: E.ON

Ein System auf der Gondel wertet die Messdaten des Lidar-Geräts aus und schickt Signale an die Blattverstellung. Bei einer ankommenden Böe dreht sie Flügel vorzeitig aus dem Wind. ©Grafik: IFB, Universität Stuttgart

Offshore: Laser gegen den Sturm

(©SR) Böen erhöhen schlagartig die Drehzahl von Turbinen und erschüttern die Maschinen. Ein neues Frühwarnsystem erkennt heftige Luftbewegungen im Voraus und dreht die Rotorblätter rechtzeitig aus dem Wind. Das senkt die Belastung und könnte leichtere Maschinen ermöglichen. Die sogenannte Lidar-Technik könnte die Offshore-Windenergie bald günstiger machen.


Kostensenkende Innovationen sind für den erfolgreichen Ausbau der Offshore-Windenergie eine unabdingbare Voraussetzung. Ein neues Regelungskonzept, das dank so genannter Lidar-Technik (Light Detection and Ranging) die Rotorblätter einer Windturbine bereits vor Eintreffen einer Böe aus dem Wind dreht, könnten den Windausbau auf hoher See beflügeln. Ein Laser scannt die gesamte Rotorfläche vor der Turbine, die Daten werden der Anlagensteuerung zugespielt. Sie koordiniert die Blätter so, dass die Rotordrehzahl auch bei schwankenden Windverhältnissen nahezu konstant bleibt. Das senkt die schädlichen Ermüdungs- und Extremlasten – die Turbine stabiler im Wind steht. Ausserdem gibt sie konstanter Strom ins Netz ab. Dadurch wird die Systemstabilität verbessert.

Grosstechnische
Umsetzung
Entwickelt hat das Frühwarnsystem das Institut für Flugzeugbau (IFB) der Universität Stuttgart im Rahmen des Forschungsprojekts Rave (Research at Alpha Ventus). In verschiedenen Vorhaben im Nordsee-Windpark Alpha Ventus wollen Anlagenbauer und Wissenschaftler zeigen, dass vor Deutschlands Küsten wirtschaftlich und zuverlässig Strom erzeugt werden kann. „In den kommenden Jahren wollen wir die grosstechnische Umsetzung der Frühwarntechnik unterstützen“, sagt IFB-Wissenschaftler David Schlipf. Bisher gängige Regelungen haben den Nachteil, dass sie verzögert auf sich ändernde Windgeschwindigkeiten reagieren. Erst wenn ein Windstoss die Rotordrehzahl bereits erhöht hat, greift die Blattverstellung. Das führt zu einer erhöhten Belastung. Die neue Vorsteuerung könnte die bisherige Methode verbessern.

Auch die Windnachführung, also das Drehen der Gondel in den Wind, liesse sich mit Lidar präzisieren. Turbinen müssen stets optimal im Wind stehen, um möglichst viel Strom zu produzieren. Die für die Nachführung nötigen Daten zur Windgeschwindigkeit und Windrichtung liefern bisher Anemometer und Windfahnen. Die Geräte sitzen allerdings hinter dem Rotor auf der Gondel, so dass die Blätter die Windmessung stören. Die Flügel verursachen Turbulenzen und reduzieren die Windgeschwindigkeit hinter dem Rotor. Lidar-Geräte messen vor der Anlage und können der Nachführung somit genauere Werte liefern.

Kleiner Kasten auf der Gondel

Die Innovation könnte für die Offshore-Windindustrie von grossem Interesse sein. Windstrom vom Meer ist mit durchschnittlich 0.12 bis 0.16 Euro pro Kilowattstunde noch relativ teuer. Für Ertragssteigerungen und Kostenersparnisse würden die Hersteller ihre Turbinen gern grösser dimensionieren. Gleichzeitig müssen dabei aber die eingesetzten Materialien leichter werden, um das Anlagengewicht möglichst gering zu halten. Doch gerade auf hoher See lässt sich das Gewicht nur begrenzt reduzieren, denn Wind und Wellen zehren stark an den Komponenten. Nur wenn die Hersteller schädliche Einwirkungen auf die Anlage verringern, können sie leistungsstärkere Maschinen auf dem Meer installieren.

Lidar-Messsytem

Das Frühwarnsystem besteht aus einem Lidar-Messsytem, einer Echtzeitdaten-Verarbeitung und einer Verbindung zur Regelung und wird derzeit noch auf der Gondel installiert. Längerfristig soll die Technik in die Rotornabe eingebaut werden. „Unser Lidar-Gerät nutzt einen infraroten Laserstrahl, um die Geschwindigkeit von winzigen Teilchen in der Luft mithilfe des optischen Dopplereffekts zu messen“, erklärt Schlipf. Das Prinzip beruht darauf, dass das Licht des Laserstrahls teilweise an den Luftteilchen – winzigen Staubpartikeln oder Wassertropfen – reflektiert wird. Dabei findet zwischen dem ursprünglich entsendeten und dem reflektierten Licht eine Frequenzverschiebung statt, die von der Geschwindigkeit des reflektierenden Teilchens abhängig ist. Durch die Messung dieser Frequenzverschiebung lassen sich die Geschwindigkeit des Teilchens und damit die Windgeschwindigkeit an dieser Stelle ermitteln.

In der Windenergie wird Lidar bereits unter anderem für die Standortsuche von Turbinen eingesetzt. Vom Boden aus werden damit die Windbedingungen in bis zu 200 Metern Höhe ermittelt. Um für die Anlagensteuerung nun auch den Raum vor der Gondel messen zu können, haben die IFB-Wissenschaftler ein für die bodenbasierte Messung konzipiertes Lidar-Gerät mit einem selbst entwickelten Scanner gekoppelt. Ein frei beweglicher Spiegel im Scanner kann die Laserstrahlen in jede beliebige Position vor der Anlage lenken. „Damit können die unterschiedlichsten Bahnen zur Abtastung von einzelnen Messpunkten realisiert werden. Wir erhalten so ein ziemlich genaues Bild von einem einströmenden Windfeld und können damit die Reaktion der Anlage verbessern“, erklärt Schlipf.

Generalprobe in Alpha Ventus

Doch bis zur Marktreife des Frühwarnsystems wartet auf die Forscher noch viel Arbeit. „Die Technik wurde in den USA bereits erfolgreich an einer Forschungsanlage an Land getestet. Entscheidend ist jetzt, dass wir sie auf die realen Maschinen bringen“, erklärt der Oldenburger Windforscher Martin Kühn, einer der für Lidar zuständigen Rave-Projektleiter. Im Offshore-Windpark Alpha Ventus machen die Wissenschaftler derzeit einen wichtigen Schritt: Sie installierten einen Lidar-Scanner auf einer Areva-Anlage des Typs Multibrid M5000 mit fünf Megawatt Leistung. Die Forscher wollen herausfinden, wie das Windfeld vor der grossen Offshore-Turbine abgetastet werden muss, um möglichst exakte Werte zu erhalten. Die Multibrid M5000 hat einen Rotordurchmesser von 116 Metern und überstreicht eine Rotorkreisfläche von 10‘000 Quadratmetern. Es gilt also, ein deutlich grösseres Areal als bei der 600-Kilowatt-Testmühle in den USA zu analysieren. „Das Monitoring steht bei diesem Vorhaben im Vordergrund“, erklärt Kühn.

In der Rotornabe der Turbine

Während es in Alpha Ventus um die Optimierung der Messungen geht, arbeiten Wissenschaftler am Zentrum für Windenergieforschung Forwind parallel an einfacheren und robusteren Lidar-Scannern. Das am IFB entwickelte Gerät besteht aus relativ empfindlichen Spiegeln, die sich leicht verstellen und dann falsche Werte liefern können. „Wir erproben für den Serieneinsatz deshalb eine Technik ohne bewegliche Teile. Unser Gerät sitzt in der Rotornabe der Turbine, tastet das Windfeld also ab, indem es sich mit dem Rotor dreht“, erklärt Kühn. Die Marktreife der Frühwarnsysteme erwartet er in den kommenden Jahren. Zur Wirtschaftlichkeit sagt der Experte: Die Vorteile, die sich aus einem ruhigeren Betrieb einer Turbine ergäben, also etwa eine höhere Anlagenverfügbarkeit oder Materialersparnisse, würden die Anschaffungskosten der Lidar-Technik mehr als kompensieren. „Viele Hersteller werden die Technik in ihre Maschinen integrieren“, schätzt Kühn.

„Floating
Lidar“-System
Unweit der Areva-Maschine testen Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Windenergie- und Energiesystemtechnik (Iwes) derweil eine andere Lidar-Methode, um die Kosten für Offshore-Windenergie zu senken. Im Rahmen des von der Bundesregierung geförderten Projekts „Offshore Messboje“ installierten die Forscher direkt neben dem Messmasten Fino 1 ein am Iwes entwickeltes „Floating Lidar“-System. Damit sollen sich Offshore-Windparks künftig schneller und günstiger planen lassen, denn im Vergleich zu Messmasten sind in schwimmende Bojen integrierte Lidar-Geräte an jedem beliebigen Standort einsetzbar und müssen nicht aufwendig installiert werden. „Bisher haben Wellen den zuverlässigen Einsatz von Lidar auf dem Meer verhindert. Wir haben einen Korrekturalgorithmus entwickelt, der die Eigenbewegung der schwimmenden Plattform aus den Messwerten herausrechnet“, erklärt Iwes-Forscherin Julia Gottschall. Erste Auswertungen hätten ergeben, dass die Qualität der Daten von Mast und Boje vergleichbar sei. Lidar-Technik könnte die Offshore-Windenergie bald deutlich voranbringen.

©Text: Sascha Rentzing

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