Die Firma Singulus Technologies aus dem unterfränkischen Kahl am Main zum Beispiel hat eine neue Beschichtungsanlage im Angebot, mit der sich die Zelleffizienz um rund ein Prozent steigern lässt. ©Bild: Singulus Technologies

Photovoltaik: Nachschub aus dem Labor

(©SR) Die Nachfrage zieht an, die Solarindustrie erholt sich, die ersten Hersteller investieren wieder in neue Produktionslinien. Sie können aus dem Vollen schöpfen, denn Forscher und Entwickler haben die Krise für viele kostensenkende Neuerungen genutzt. Die Photovoltaik ist längst noch nicht an ihrem technischen Limit.


Projekterfolge öffentlichkeitswirksam verkünden – darauf hat man beim Institut für Solarenergieforschung Hameln (ISFH) nie grossen Wert gelegt. Anders als grosse Einrichtungen wie das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (Ise) oder das belgische Forschungsinstitut (Imec), die ihre Neuerungen wesentlich offensiver verkaufen, pflegten die Niedersachsen stets das Understatement. Derzeit stehlen die ISFH-Wissenschaftler ihren Forscherkollegen mit einer neuen Hocheffizienzzelle aus monokristallinem Silizium aber die Show. Sie wandelt dank einer komplett verschattungsfreien Vorderseite Licht mit einem Wirkungsgrad von 23 Prozent in Elektrizität um – rund vier Prozentpunkte mehr als derzeit gängige monokristalline Standardzellen.

IBC-Technik

„Wir haben einen Weg gefunden, die Rückkontaktzellen ohne komplizierte Strukturierungsschritte mit vertretbarem Aufwand herzustellen“, erklärt Jan Schmidt, Abteilungsleiter Photovoltaik am ISFH. Die so genannte IBC-Technik (Interdigitated-Back-Contact) gilt als komplex. Damit keine Metallisierung den Lichteinfall stört, werden sämtliche Stromanschlüsse auf die Rückseite verlegt. Dafür müssen bei der Kontaktierung die elektrischen Anschlüsse beider Pole ineinander verschachtelt werden, um Kurzschlüsse zu vermeiden. Obwohl sich Entwickler schon seit den Neunzigerjahren an Rückkontaktzellen versuchen, beherrschte sie bisher lediglich die US-Firma Sunpower. Nun haben sie offensichtlich auch die ISFH-Wissenschaftler in den Griff bekommen.

„Um die Metallisierung zu definieren, wird bei bisherigen Labor-Hochleistungszellen Photolithographie, also ein aufwendiges Belichtungsverfahren verwendet, das für eine industrielle Produktion nicht geeignet ist. Wir setzen stattdessen Laser, eine industriell gut umsetzbare Methode ein“, erklärt Schmidt. Zudem bestehen die Kontakte der neuen Zelle aus Aluminium statt aus Silber. Dadurch sinken die Produktionskosten.

Allmählich wieder in Schwung

Die Innovation kommt zu einem guten Zeitpunkt, denn die Photovoltaikindustrie steht vor einer neuen Modernisierungswelle. In den vergangenen zwei Krisenjahren fehlte das Kapital für neue Produktionslinien. Förderkürzungen und eine stark abebbende Nachfrage in den europäischen Schlüsselmärkten zwangen die Unternehmen zu drastischen Preisabschlägen und trieben viele von ihnen in die Verlustzone. Allmählich kommt der Weltmarkt wieder in Schwung, weil vor allem in China und Japan massiv in neue Solaranlagen investiert wird. Das US-Marktforschungsunternehmen IHS schätzt, dass der weltweite jährliche Zubau von 2012 bis 2015 um etwa 50 Prozent auf gut 46 Gigawatt Photovoltaikleistung steigen wird. Ohne neue Linien wird sich der künftige Modulbedarf nicht decken lassen.

Capital
Spending zieht wieder an
„Das Capital Spending zieht wieder an. Wir sehen bereits einige Aktivitäten in Südamerika, Afrika und dem Nahen Osten“, sagt IHS-Analyst Stefan de Haan. Auch in Asien erholt sich die Industrie. Die chinesischen Modulhersteller Yingli und Renesola steigern ihren Absatz und konnten so ihre Verluste im zweiten Quartal 2013 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahrs nahezu halbieren. Canadian Solar wiederum plant angesichts der steigenden Nachfrage in Indonesien eine neue Fabrik für so genannte Metal-Wrap-Through-Module (MWT) mit 80 Megawatt Jahreskapazität. Die Technik ist relativ neu. Indem die vorderen Leiterbahnen auf die Rückseite verschoben werden, fangen MWT-Zellen bis zu drei Prozent mehr Licht ein als Standardzellen.

Hocheffizienz für China

Der japanische Elektronikhersteller Panasonic hat unterdessen die Produktion in seinem Ende 2012 eröffneten Modulwerk in Malaysia hochgefahren. Ab sofort wird dort die jährliche Kapazität von 300 Megawatt voll ausgelastet, teilt das Unternehmen mit. Es verarbeitet so genannte Heterojunction-Zellen, die mit mehr als 20 Prozent Wirkungsgrad neben Sunpowers Rückkontaktzellen aktuell die Speerspitze der Silizium-Photovoltaik bilden. Für eine höhere Stromausbeute kombiniert Panasonic kristalline mit Dünnschichttechnik. Die monokristallinen Wafer werden beidseitig mit amorphem, also vollkommen unregelmässig strukturiertem Silizium ummantelt. Es dient als so genannte Passivierschicht und bildet für die generierten Elektronen eine undurchlässige Grenze. So können sie an der Kristalloberfläche für die Stromproduktion nicht verloren gehen.

Die Solarinstitute und Maschinenbauer hoffen, dass weitere Hightech-Fabriken gebaut werden. Obwohl die Hersteller zuletzt kaum noch investierten, liefen die Forschungsaktivitäten auf Hochtouren. Seit 2010 pumpte die Bundesregierung insgesamt 150 Millionen Euro die so genannte Forschungsallianz Photovoltaik, einen Zusammenschluss deutscher Solarhersteller und Anlagenbauer zur Entwicklung effizienterer Zellen und dazu passender Fertigungsverfahren. Viele Projekte stehen vor dem Abschluss oder wurden bereits erfolgreich beendet, sodass die Hersteller auf eine Reihe neuer Zelltechniken und Maschinen zurückgreifen können.

Von der Forschung in die Umsetzung

Die Rückkontaktzelle des ISFH zählt zu den interessantesten Neuerungen, doch muss ihre industrielle Massenproduktion erst noch in einer Pilotlinie vorbereitet werden. Schneller liessen sich so genannte Perc-Zellen (Passivated Emitter ans Rear Contact) umsetzen, für die die Maschinenbauer bereits verschiedene Prozesse anbieten. Bei dieser Technik reduziert eine spezielle Beschichtung Stromverluste zwischen dem Halbleiter und den Kontakten an der Zellrückseite. Dadurch nutzen die Zellen Licht besser aus und ermöglichen so einen Leistungsanstieg bei den Modulen. Die Firma Singulus Technologies aus dem unterfränkischen Kahl am Main zum Beispiel hat eine neue Beschichtungsanlage im Angebot, mit der sich die Zelleffizienz um rund ein Prozent steigern lässt. Die Chinesen seien von der neuen Technik sehr angetan, wie Vorstandschef Stefan Rinck berichtet. „In China werden staatliche Kredite nur noch für Produktionen für Hochleistungszellen mit mindestens 20 Prozent Wirkungsgrad gewährt. Die Unternehmen suchen daher nach Upgrades für ihre Linien.“

Auch der schwäbische Maschinenbauer Schmid bietet Equipment für Perc-Zellen mit mehr als 20 Prozent Effizienz an. Das Besondere an dem Schmid-Verfahren ist, dass die für die höhere Stromausbeute verantwortliche Barriereschicht aus Aluminiumoxid nicht im Vakuum, sondern unter Atmosphärendruck produziert wird. Weil dafür nach Angaben des Unternehmens geringere Temperaturen und weniger Energie benötigt werden, sinken die Kosten für diesen Prozessschritt um 40 bis 50 Prozent.

Riesige Chance für Maschinenbau

Bei den CIGS-Dünnschichtmodulen gibt es ebenfalls nennenswerte Fortschritte. Sie werden durch Aufdampfen einer Schicht aus Kupfer, Indium, Gallium und Selen auf Glas hergestellt – der aufwendige Prozess des Zerschneidens von Siliziumblöcken entfällt bei diesen Paneelen also. Der Reutlinger Anlagenbauer Manz und das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) haben im Rahmen der Innovationsallianz Phototvoltaik eine komplette Turnkey-Linie für CIGS-Module mit 14,6 Prozent Wirkungsgrad entwickelt. Zum Vergleich: Als Manz 2012 die Technik von Würth Solar übernahm, startete es mit rund elf Prozent Effizienz. Gleichzeitig senkten Manz und das ZSW im Projekt CIGSfab die Produktionskosten. Lagen sie 2012 noch bei knapp einem Euro pro Kilowattstunde, können die Paneele nach Firmenangaben heute für 50 Cent hergestellt werden – günstiger als kristalline Module. Unternehmenschef Dieter Manz rechnet daher fest mit einem Erfolg der neuen Dünnschichtstrasse. „In Ländern wie den USA, China und Indien oder auch im Mittleren Osten wird die Solarbranche eine gewaltige Renaissance erleben. Für den deutschen Maschinenbau ist das eine riesige Chance. Insbesondere für die CIGS-Dünnschichttechnologie sind die Aussichten ausgezeichnet.“

Sechsfach dünnere Zellen

Kaum sind die neuen Produktionslinien auf dem Markt, arbeiten die Forscher bereits an Techniken der nächsten Generation. Der grosse Effizienzsprung könnte bei sämtlichen Zellkonzepten erst noch bevorstehen. Nach fünfjähriger Vorbereitungszeit wird seit diesem Sommer das neue, 19 Millionen Euro teure Röntgenstrahlrohr Emil (Energy In-situ Laboratory) an den Elektronenbeschleuniger Bessy II in Berlin angeschlossen, das zum Helmholtz-Zentrum Berlin gehört. Mit Emil wird es möglich sein, Zellschichten präzise zu analysieren und Prozesse an deren Oberfläche zu beobachten. „Mit den Erkenntnissen lassen sich Grenzschichten massschneidern und somit Wirkungsgrade erheblich steigern“, sagt Helmholtz-Forscher Klaus Lips.

Augenmerk auf materialsparende Zellkonzepte

Allerdings sind Effizienzsteigerungen nur ein Aspekt, dem sich die Wissenschaftler widmen wollen. Ihr Augenmerk richtet sich zunehmend auch auf materialsparende Zellkonzepte, eine bisher relativ vernachlässigte Disziplin, in der nur wenige Fortschritte erzielt wurden. Die Wafer, die zu Zellen verarbeitet werden, sind heute immer noch durchschnittlich 180 Mikrometer dick und machen etwa ein Drittel der Kosten am fertigen Modul aus. Die Wissenschaftler wollen nun wesentlich dünnere Wafer verwenden und so die Kosten erheblich senken.

MacPSi
-Prozess
Beim derzeit vom ISFH entwickelten MacPSi-Prozess (MacroPorous Silicon) zum Beispiel werden mit Hilfe von so genanntem Ätzstrom hauchdünne Schichten von einem monokristallinen Wafer abgetrennt, um sie später als Absorber in Dünnschichtmodulen zu nutzen. „Wir erzeugen in fünf bis 20 Mikrometern Tiefe des Wafers Sollbruchstellen, indem wir elektrochemisch Makroporen in das Siliziumsubstrat ätzen“, erklärt ISFH-Experte Schmidt. Bei der Trennung des Absorbers entsteht auf der dem Mutterwafer zugewandten Seite eine raue Oberfläche mit pyramidenförmigen Erhebungen. Sie bildet die spätere Zellvorderseite, da die Pyramiden gut geeignet sind, Licht in die Zelle zu lenken und Reflexionsverluste zu vermindern. Anschliessend „kleben“ die Wissenschaftler den abgetrennten Absorber auf einen günstigen Träger wie Glas auf. Jetzt ist die Zelle stabil genug für die noch ausstehenden Prozessschritte wie zum Beispiel die Frontkontaktierung oder die Passivierung mit amorphem Silizium. Als Verbindungsmaterial von Absorber und Glas dient Aluminium. Eine Schicht zwischen den beiden Komponenten wird mit einem Laser oder mit Halogenlampen erhitzt und „verbackt“ sie miteinander. Ausserdem übernimmt das Aluminium die Funktion des Rückkontakts, der die generierten Ladungsträger aus der Zelle leitet. „Mit diesem Prozess haben wir schon Zellen mit 13,1 Prozent Wirkungsgrad hergestellt. Er ist nahe dran an der Industriereife“, sagt Schmidt.

Das Fraunhofer-Ise und das französische Start-up-Unternehmen S’Tile arbeiten ebenfalls an dünnen Siliziumzellen auf einem günstigen Träger. Ihr Waferäquivalent basiert auf einem Substrat aus günstigem Siliziumpulver und einer photoaktiven Siliziumschicht. „Im Labor erreichen wir damit bereits 14 Wirkungsgrad“, erklärt Andreas Bett, stellvertretender Ise-Leiter. Die Aufgaben sind bei dem Projekt klar verteilt: S’Tile ist für die Herstellung des Substrats zuständig. Dafür reinigt es Rohsilizium leicht, pulverisiert es und verpresst es unter Hochdruck zu einer etwa 200 Mikrometer dicken Schicht. Die Ise-Wissenschaftler stellen den Absorber her, indem sie Trichlorsilan aus der Gasphase 20 Mikrometer dick auf dem Substrat abscheiden. Bett sagt, dass die Technik ähnliche Wirkungsgrade wie eine herkömmliche monokristalline Zelle erreichen kann, sich aber rund 40 Prozent günstiger fertigen lässt. Bei konsequenter Weiterentwicklung sei die industrielle Fertigung bereits in zwei bis drei Jahren möglich. Die Photovoltaik ist längst noch nicht an ihrem technischen Limit.

©Text: Sascha Rentzing

0 Kommentare

Kommentar hinzufügen

Top

Gelesen
|
Kommentiert