Hans Schlunegger: „Das Wasser des Oberaarsees wird jährlich rund 10- bis 15-mal umgesetzt.“ Bild: KWO Foto: Beat Kehrli

KWO: neuer Vollumrichter schlägt zwei Fliegen auf einen Streich

(©AN) Die KWO, die Kraftwerke Oberhasli, produzieren rund 7 % des Schweizer Wasserstroms. Im Frühling 2013 wurde im Kraftwerk Grimsel 2 einen Vollumrichter der ABB in Betrieb genommen, welcher neu erlaubt, dank Drehzahlregelung die Pumpleistung einer 90-Megawatt-Maschine aktiv zu regeln. Dadurch kann sowohl Wasser wie auch Strom gespart werden.


„Wasser ist das höchste Gut der KWO“, erklärt Hans Schlunegger, Besucherführer und beratender Ingenieur bei der KWO, anlässlich einer Führung durch das Kraftwerk Grimsel 2. Je effizienter es genutzt wird, umso mehr Strom kann die KWO produzieren.

Wasserkraft- und …

Die KWO ist Synonym von Wasserkraftnutzung der Superlative: 26 Turbinen mit einer Leistung von 1125 Megawatt in neun Kraftwerken produzieren pro Jahr rund 2.35 Mrd. Kilowattstunden elektrischen Strom. Das entspricht rund 7 % der Produktion des Wasserstroms der Schweiz. Damit kann der Jahresverbrauch von rund einer Million Menschen gedeckt werden. Im Konzessionsgebiet der KWO fallen pro Jahr rund 700 Millionen Kubikmeter Wasser in Form von Regen und Schnee.


…Pumpspeicherkraftmeister
Das Kraftwerk Grimsel 2 ist Synonym von Pumpspeicherkraft: Die vier Maschinengruppen mit je einem Pumpenrad und einem Turbinenrad an der gleichen Welle nutzen das Gefälle zwischen Oberaarsee und Grimselsee bzw. pumpen Wasser vom Grimselsee in den Oberaarsee. Hans Schlunegger: „Das Wasser des Oberaarsees wird jährlich rund 10- bis 15-mal umgesetzt.“ Jede Maschinengruppe kann entweder Wasser hochpumpen oder Wasser turbinieren. Hier im Kraftwerk Grimsel 2 ist seit Frühling 2013 der neue Vollumrichter von ABB für den drehzahlvariablen Antrieb einer Wasserpumpe im Einsatz. Laut ABB ist es mit einer Leistung von 100 MVA der weltweit grösste Vollumrichter mit Spannungszwischenkreis in dieser Anwendung. Dank der Leistungselektronik kann die Drehzahl für den Pumpenantrieb sehr flexibel eingestellt und die Effizienz der bestehenden Anlagen deutlich gesteigert werden. ABB verwendet bereits seit Jahren Umrichtertechnologie für Industriemotoren oder Bahnnetzkuppelungen. Bei Pumpspeicherkraftwerken bedeutet dieses Projekt für das Unternehmen jedoch einen wichtigen Meilenstein.

Ein Gespräch mit Hans Schlunegger über die Stromproduktion der KWO und die neuen Möglichkeiten des Vollumrichters.

Herr
Schlunegger, das erste Halbjahr 2013 war sehr niederschlagsreich, hat sich das auf die Wasserkraftproduktion ausgewirkt?
Natürlich war das erste Kalenderhalbjahr sehr gut, aber für uns von der KWO zählt die Produktion übers ganze Jahr oder noch genauer über das hydrologische Jahr. Und die Erfahrung zeigt, dass sich die Produktion übers Jahr gesehen in der Regel ausgleicht.

Was produziert die KWO hauptsächlich, Winter- oder Sommerstrom?

Nun, das ist immer je rund 65 Prozent im Sommer und 35 Prozent im Winter, kleinere Abweichungen sind dabei normal.

Wäre es möglich, den Anteil zu Gunsten von Winterstrom zu verändern? Da die Fachleute ja davon ausgehen, dass mit der erneuerbaren Stromversorgung der Strom vor allem im Winter fehlen wird…

Nun, sehr viel an der Verteilung vom Sommer- ins Winterhalbjahr lässt sich mit den aktuellen Anlagen nicht machen. Denn in der warmen Jahreszeit fällt ja immer Laufwasser an. Ziel ist es, dass jeweils im Herbst die Speicherseen gefüllt sind. Mit der geplanten Erhöhung der Staumauer können wir den Winteranteil jedoch beträchtlich erhöhen: von heute 65 Prozent im Sommer und 35 Prozent im Winter auf 55 Prozent im Sommer und 45 Prozent im Winter. Noch mehr läge mit dem Kraftwerkprojekt des Triftsees drin. Dort könnte mit dem Bau einer Staumauer einerseits das Problem des Hochwasserschutzes gelöst werden, und andererseits würde das Kraftwerk 50 Prozent der Produktion im Winter liefern.

Sie haben im Frühling den neuen Vollumrichter von ABB in Betrieb genommen. Welche neuen Möglichkeiten eröffnet dieser?

Um das zu erklären, muss ich daran erinnern, dass wir Fachleute von Primär-, Sekundär und Tertiärregelung sprechen. Bei der ersten wird das Netz – in unserem Fall das europäische Verbundnetz – auf die Frequenz von 50 Hertz stabilisiert. Bei der Sekundärregelung wird die Austauschleistung zwischen den Partnern – zum Beispiel zwischen der Schweiz und Frankreich – auf den vereinbarten Wert reguliert. Bei diesen beiden Stufen wird die Versorgung zum grossen Teil mit Verträgen unter Partnern sichergestellt. Hier geht es auch um Netzstabilität, plus/minus 400 Megawatt müssen im Schweizer Stromnetz jederzeit geregelt werden können. Wir von der KWO tragen mit plus/minus 20 bis 120 Megawatt zu dieser Netzstabilität bei, sprich wir produzieren bei Bedarf in diesem Rahmen Strom oder aber pumpen bei Überproduktion Strom in unsere Speicherseen. Bei der letzten, der Tertiärregelung, wird eine zusätzliche Korrektur per E-Mail und Telefon von der Swissgrid abgerufen und muss innerhalb einer Viertelstunde bereitstehen. Sie heisst deshalb auch Viertelstundenreserve. Der Fahrplan der KWO, das heisst die zu produzierende Leistung, wird von unseren Aktionären – der BKW, der IWB, ewb und ewz – indirekt über die Strombörse bestimmt. Die Netzregelung wird von der Swissgrid koordiniert.

Und hier kommt der Vollumrichter zum Einsatz?

Genau, bei dieser Netzregelung. Nehmen wir an, wir pumpen gerade im Kraftwerk Grimsel 2, dazu brauchen wir ja auch viel Strom, bis zu 30 % der Produktion, die aus diesem Wasser wieder turbiniert wird. Wir erhalten dann eine Meldung von Swissgrid, dass für die Netzstabilität Strom fehlt. Bis anhin haben wir eine unserer 90-Megawatt-Pumpen gestoppt und Wasser, unser höchstes Gut, aus dem Oberaarsee durch die Turbine runterlaufen lassen. Wir konnten die Pumpen nicht regulieren. Mit dem Vollumrichter ist es nun möglich, einfach die Pumpleistung zu reduzieren, statt die Pumpe auszuschalten. Damit schlagen wir zwei Fliegen auf einen Streich: Der Pumpstrom, den wir weniger verbrauchen, ist im Netz wieder verfügbar und die damit zur Verfügung stehende Leistung ist ausreichend, so dass wir auch kein Speicherwasser durch die Turbine laufen lassen müssen. Ausserdem wird uns diese Bereitstellung vergütet, das wurden wir allerdings auch, als wir Strom mit den Turbinen produzierten, dabei ging aber das Wasser „verloren“.

Kraftwerksdaten
Grimsel 2

  • Bauzeit = 1973–1980
  • Anzahl und Art der Turbinen = 4 Francisturbinen
  • Installierte Turbinenleistung in Megawatt (MW) = 348
  • Energie in Millionen Kilowattstunden = 600
  • Durchfluss = 93 m3/s
  • Fallhöhe in Metern = 400 m Höhendifferenz zwischen Oberaarsee und Grimselsee
  • Anzahl und Art der Pumpen = 4 Pumpen (Francisräder)
  • Maximale Pumpenleistung in Megawatt (MW) = 363
  • Durchfluss = 80 m3/s

©Text und Interview: Anita Niederhäusern, leitende Redaktorin ee-new.ch

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