Welche Option gewählt wird, ist nicht nur eine Frage der technischen Risiken. Die Abklärungen, bei welchen die Stadt St.Gallen mit dem Kanton sowie weiteren Partnern zusammenarbeitet, beziehen auch politische und rechtliche Aspekte ein.

St. Gallen: drei Optionen für Geothermie-Projekt

(PM) Nach einer problemlosen Bohrung bis rund 4'000 Meter Tiefe und erfolgreichen ersten Tests in der Malmschicht hat der Druckanstieg vom 19. Juli 2013 die Situation verändert. Die Erschütterungen machten einen vorläufigen Projektstopp nötig. Das Bohrloch ist heute stabil und lässt drei Optionen offen. Ob und in welcher Form das Geothermie-Projekt fortgeführt wird, ist Gegenstand der aktuellen Abklärungen.


Die Situation am Bohrloch konnte in den letzten Tagen weiter beruhigt werden. Das ermöglicht den Verantwortlichen, die Situation umfassend zu analysieren, um über die Zukunft des Geothermie-Projekts zu befinden.

Optimismus bis kurz vor den Produktionstests

Die erste Bohrung verlief bis zu einer Tiefe von 4'002 m plangemäss. Nicht nur wurden die technischen Ziele erreicht, auch der Terminplan und der Kostenrahmen wurden eingehalten. Die Prognosen der 3D-Messungen aus der Planungsphase wurden dabei weitgehend bestätigt.

 

Nach dem Eintritt in die Malmschicht konnte am 14. Juli 2013 der Injektionstest durchgeführt werden. Der schnelle Druckabfall am Bohrkopf, der nach der Wasserzufuhr gemessen wurde, lieferte den Beweis, dass der Untergrund durchlässig ist. Bereits am 17. Juli 2013 konnte deshalb die Säuerung stattfinden, um die Durchlässigkeit der Klüfte zu steigern. Auch dies verlief erfolgreich, so dass das Bohrloch für die Produktionstests vorbereitet wurde. Hierzu wurde bis 684 m Tiefe ein sogenannter Airlift-Strang eingebaut.

Überraschender Gas-Wasser-Austritt

Kurz vor dem Start der Produktionstests wurden die Projektverantwortlichen am 19. Juli 2013 durch einen Gas-Wasser-Austritt überrascht, der zu einem raschen Druckanstieg führte. Wie in diesen Fällen üblich, wurde dieser Druck durch das Einpumpen von Flüssigkeit bekämpft. Ein starker Verlust von Bohrflüssigkeit, was wiederum ein Indiz für die Durchlässigkeit des Gesteins ist, erschwerte diese Massnahmen. Das Zurückdrücken des Gases verlief planmässig, so dass aufgrund dieser Massnahme keine negativen Auswirkungen zu erwarten waren. Am Folgetag um 05.30 Uhr kam es zur überraschenden Erschütterung mit einer Magnitude von 3,5 (herabgestuft von 3,6 auf 3,5) sowie weiteren, sukzessive abklingenden Mikrobeben.

Ob die unerwartet starke Reaktion des Untergrunds allein aufgrund der eingepumpten Flüssigkeit oder aufgrund von Spannungen im Untergrund erfolgte, ist nicht bekannt. Die relativ kräftigen Nachbeben und andere Indizien weisen jedoch auf solche Spannungen hin. Ob diese bereits umfassend freigesetzt wurden, lässt sich weder messen noch testen.

Bohrloch in stabilem Zustand

Um den Gaszufluss ins Bohrloch zu stoppen, wurde der letzte Abschnitt des Bohrlochs mit einer Kalkkreidemischung verschlossen.

Das Bohrloch oberhalb der Malmschicht ist nach wie vor intakt. Bis 4'002 m Tiefe ist es stabil verrohrt und in einem betriebsbereiten Zustand. Zurzeit bestehen keine Verluste an Bohrflüssigkeit. Auch der Bohrturm ist in voller Bereitschaft. Die Bohrtechnik erfüllt somit alle Voraussetzungen, um flexibel auf den Entscheid zur Zukunft des Projekts zu reagieren.

Drei Optionen für das St.Galler Geothermie-Projekt

Je nach Ergebnis der Abklärungen bestehen folgende Möglichkeiten:

  1. Informationsgewinnung und Weiterführung
    - Bestehendes Bohrloch befahren und geophysikalisches Logging
    - Einbau Verrohrung (gelocht) zwischen 4002 m und 4450 m
    - Produktionstest (Messung der Gas- und Wasserproduktivität)
  2. Informationsgewinnung und Konservierung:
    - Bestehendes Bohrloch befahren und geophysikalisches Logging
    - Einbau Verrohrung (gelocht) zwischen 4002 m und 4450 m
    - mit oder ohne Produktionstest (Messung der Gas- und Wasser-
      produktivität)
    - Konservierung des Bohrlochs (provisorischer Bohrloch-Verschluss)
  3. Abbruch des Projekts
    - Verfüllung des Bohrlochs nach Behördenvorgaben (definitiver
      Verschluss)

Welche Option gewählt wird, ist nicht nur eine Frage der technischen Risiken. Die Abklärungen, bei welchen die Stadt St.Gallen mit dem Kanton sowie weiteren Partnern zusammenarbeitet, beziehen auch politische und rechtliche Aspekte ein, etwa in Bezug auf die Bewilligung. In die Abwägung fliessen zudem die finanziellen Folgen und die Verfügbarkeit der Infrastruktur ein.

Auszug aus den an die Medien verteilten Unterlagen

Aktueller Zustand der Tiefbohrung GT1
Aktueller Bohrlochzustand

  • Intaktes, stabil verrohrtes Bohrloch bis 4’002 m
  • Der Zustand des Malmbereichs bis 4’450 m ist etwas ungewiss:
    - Gekappte Messsonde samt Kabel befindet sich im Bohrloch
    - Bohrabschnitt teilweise verstopft als Folge der Abdichtungsmassnahmen
  • Der Bohrturm ist in voller Bereitschaft, Bohrgestänge bis 4’000 m eingebaut
  • Druck im Bohrloch im labilen Gleichgewicht (Bohrzustand)
  • Aktuell keine Verluste an Bohrspülung im Bohrloch

Aktuelle Situation auf Bohrplatz

  • Während der laufenden Beurteilung und Analyse der neuen Situation wirdzur Kostenoptimierung derzeit nicht benötigtes Bohr‐ und Testequipmentabgebaut
  • Bohranlage und Bohrmannschaft bleibt bis auf weiteres in Einsatzbereitschaft

 Erste Erkenntnisse zum Erdbeben
Der Untergrund von St.Gallen reagierte unerwartet stark auf die Massnahmen zur Druckstabilisierung im Bohrloch. Der Grund hierfür ist noch nicht im Detail bekannt.

  • Eine Vermutung geht davon aus, dass bereits vorhandene Gebirgsspannungen (sogenannt «kritisch gespannt») in der angebohrten bzw. erschlossenen Störungszone entscheidend dazu beigetragen haben.
  • Hinweise auf die Existenz von tektonisch kritisch gespannten Störungszonen:
    - Seismische Ereignisse in Bereichen, die bisher weitgehend frei von Seismizität waren
    - Relativ kräftige und anhaltende Nachbeben‐Aktivität
    - Ausrichtung der Störungszone in Richtung SSW‐NNE
  • Die Erschütterungen haben allenfalls noch nicht alle vorhandenen Gebirgsspannungen in diesem Gebiet freigesetzt.

 GasSituation

  • Herkunft des beobachteten Gases ist noch nicht genauer bekannt.
  • Es handelt sich um nahezu reines Methangas.
  • Momentan wahrscheinlichste Vermutung: Gas entstammt aus dem sogenannten «Permokarbontrog» und ist über Kluft‐ bzw. Störungssysteme, welche bei den Test‐ und Stimulationsarbeiten erschlossen wurden, ins Bohrloch eingedrungen.
  • Quantitative Aussagen über das erschlossene Gasvolumen sind derzeit nicht möglich. Aufgrund der derzeitig verfügbaren geologischen Kenntnisse ist aber nicht davon auszugehen, dass es sich um ein grösseres Reservoir handelt.
  • Die effektiven Gasmengen im Untergrund könnten nur über Produktionstests ermittelt werden.

Text: Stadt St. Gallen

0 Kommentare

Kommentar hinzufügen

Top

Gelesen
|
Kommentiert