Imposantes Beispiel ist die grösste Schweizer Windenergieanlage von Calandawind in Haldenstein/GR, die jüngst in Betrieb genommen wurde. ©Bild: Calandawind

Suisse Eole: starke Strömung in der Deutschschweiz

(©Suisse Eole) Effizientere Anlagen und das Engagement der Kantone tragen Früchte: Die Windenergienutzung etabliert sich auch in der Deutschschweiz. Jüngste technische Entwicklungen sowie Erkenntnisse aus der gesellschaftlichen Akzeptanzforschung könnten hier wegweisend sein.


Lange galt die Deutschschweiz als zu wenig interessant für die Windenergienutzung, denn die Hauptwindregionen liegen im Westen des Landes. Doch nun zeigt der Windenergiezubau auch ennet des Röstigrabens ein stark gewachsenes Potenzial: Von Grenchen/SO über Hemishofen/SH bis Hinterrhein/GR werden aktuell 15 bis 20 Standorte mit einem Produktionspotenzial von jährlich nahezu 400 GWh Windstrom evaluiert.

Die Gründe liegen zum einen in genaueren Standortabklärungen. Auch in der Deutschschweiz gibt es Lagen, wo der Wind kräftig bläst, auch wenn die geeigneten Standorte weniger dicht gesät sind als in der Westschweiz. Eine richtplanerische Bezeichnung der Standorte ist zwar erst in den Kantonen Solothurn, Aargau, Schaffhausen und in einigen Regionen des Kantons Bern abgeschlossen. Doch die Kantone Baselland, Luzern, Thurgau, die beiden Appenzell, teils auch Glarus und Graubünden, analysieren gegenwärtig ihre Potenziale und arbeiten Kriterien für Standorte aus.


Zeichen stehen auf Zubau
Zum anderen sind heute Windenergieanlagen auf dem Markt, die dank längeren Rotorblättern den Wind effizienter ernten können. Imposantes Beispiel ist die grösste Schweizer Windenergieanlage in Haldenstein/GR, die jüngst in Betrieb genommen wurde (siehe ee-news.ch vom 18.3.13 >>). Mit ihren 56 Meter langen Rotorblättern überstreicht sie eine Fläche von fast 10'000 Quadratmetern, das sind etwa anderthalb Standard-Fussballfelder. So erreicht die Windturbine ihre volle Leistung von 3 MW schon bei einer vergleichsweise tiefen Windgeschwindigkeit von 10 m/s, also 36 km/h.

Weniger handfest, aber nicht zu unterschätzen ist die Aufbruchstimmung, welche durch die Beschlüsse zur Energiewende ausgelöst wurde. Zahlreiche Kantone und Gemeinden sind willens, die Stromzukunft verstärkt selber zu steuern. Der Trend in der Deutschschweiz lässt sich im Zusammenhang mit dem Ausbau in den süddeutschen Bundesländern sehen, die topografische Ähnlichkeiten mit der Schweiz aufweisen. Baden-Württemberg und Bayern nutzen die Chancen der Binnenland-Anlagetypen bereits intensiv und realisieren ambitionierte Ausbaupläne mit Zielen von 8000 GWh bzw. 6000 GWh bis in knapp zehn Jahren.

Grundsätzlich gute Chancen

Weitere positive Nachrichten für die Windenergieentwicklung in der Deutschschweiz kommen von Seiten der Wissenschaft. An fünf potenziellen Standorten, wovon drei in der Deutschschweiz, wurde die lokale Akzeptanz von Windenergieprojekten untersucht. Gemäss Studie liegt die überregionale Zustimmung zu Projekten auf einer Skala von 1 bis 7 bei 6 (entspricht etwa 83 % Zustimmung). Lokal erreichen Windparkprojekte grundsätzlich ebenfalls eine hohe Akzeptanz von durchschnittlich 5,6 Punkten (ca. 75 % Zustimmung). Sozialpsychologe Götz Walter hat im Auftrag des BFE den Einfluss von drei verschiedenen Projektfaktoren untersucht. Die Erkenntnisse aus der schriftlichen Befragung von 951 Personen:

  • Das Resultat einer kommunalen Volksabstimmung hat einen signifikanten Einfluss auf die lokale Akzeptanz.
  • Ein regional bekannter Projektinitiant darf mit einer höheren lokalen Akzeptanz rechnen als ein unbekannter Entwickler, der im Auftrag einer Finanzgesellschaft handelt.
  • Den grössten Einfluss hat der mit dem Projekt verbundene regionale Nutzen. Projekte, bei denen der Nutzen hauptsächlich aus Pachtzahlungen an Landwirte besteht, schneiden in der Gunst der Bevölkerung weniger gut ab als Projekte mit finanziellen Beteiligungsmöglichkeiten für die Einwohner (auch via Gemeinwesen). Ebenfalls besser akzeptiert sind Projekte, wo aus Pacht- oder Steuereinnahmen ein kommunaler Fonds gespeist wird, mit dem wiederum andere (Energie-)Projekte realisiert werden.

Wenige, aber laute Skeptiker
Ein interessanter Befund ist, dass 12 % der Befragten ohne Berücksichtigung der veränderlichen Faktoren alle Projekte ablehnten. Umgekehrt befürworteten 42 % der Befragten alle zur Wahl stehenden Windkraftprojekte. Bei diesen beiden Gruppen hatte die generelle Bewertung von Kosten und Nutzen der Windenergie einen höheren Einfluss auf die Akzeptanz als lokalspezifische Faktoren. Personen, die alle Windenergieprojekte ablehnten, waren stärker bereit, sich am Planungsprozess zu beteiligen. Oder weniger wissenschaftlich ausgedrückt: Fundamentale Gegnerinnen und Gegner sind zwar eine kleine, aber sehr laute Gruppe.

Seriöse Planung entscheidend

Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Studie: Die Zustimmung der grossen Mehrheit der Befürworterinnen und Befürworter ist nicht bedingungslos gegeben. Personen, die alle Windenergieprojekte befürworten, stellen hohe Ansprüche, besonders im Hinblick auf die Gerechtigkeit des Entscheidungsprozesses, die Kosten für Mensch und Umwelt und den regionalen Nutzen. Das Fazit von Studienautor Götz Walter: «Gemeinden und Projektentwickler haben die Möglichkeit, Windkraftprojekte so zu gestalten, dass sie von einer grossen Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert werden.» Die Befunde sind durchaus Grund zu Optimismus. Denn erstens ist die Gegnerschaft in der Regel kleiner, als es den Anschein macht. Und zweitens können Gemeinden und Projektentwickler damit rechnen, dass dank sorgfältiger Planung und angemessener Berücksichtigung des lokalen Nutzens eine breite Akzeptanz erreicht wird.

Download Studie >>

©Text: Suisse Eole, erschienen im éole info 26

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