Stromeffizienz gilt als Pfeiler der Energiewende. Der VSE stellt seinerseits einen wesentlichen Pfeiler in der Akteurengruppe dar. Welche Rolle wird der VSE in den kommenden Jahren spielen?
Michael Frank: Für den VSE ist das Thema Energieeffizienz zentral. Derzeit bereiten wir einen eidgenössisch anerkannten Lehrgang Effizienz- und Energieberater/in vor, der im Herbst
2014 starten soll. Zusammen mit der Energieagentur der Wirtschaft (EnAW) haben wir ausserdem ein Pilotprojekt gestartet, welches KMU bei der Verbesserung ihrer Stromeffizienz hilft. Dieses Modell soll dieses Jahr noch als Standardprodukt in der ganzen Schweiz umgesetzt werden. Denn das Energieeffizienzpotenzial von Unternehmen mit einem Stromverbrauch von weniger als 500 MWh pro Jahr liegt weitgehend brach. Und wir meinen, dass gerade lokal verankerte EVU bei der Ausschöpfung dieser Effizienzpotenziale eine wichtige Rolle spielen können, da sie in direktem Kontakt zu ihren Kunden, den KMU, stehen.
Sie präsentieren das Ziel, dass Elektrizitätsunternehmen Stromeffizienz anstreben. Wie wird diese Ausrichtung bei den Elektrizitätsunternehmen konkretisiert?
Gemäss einer vom VSE in Auftrag gegebenen Studie des in Hergiswil ansässigen Marktforschungsinstituts Z-Analyse ist die Bedeutung von Energieeffizienz für Elektrizitätsunternehmen gross: 80 Prozent der befragten EVU bieten ihren Kunden Informationen und Beratungen im Bereich der Energieeffizienz an, hauptsächlich im Beleuchtungssektor. 50 Prozent haben bereits konkrete Dienstleistungen konzipiert. Auch die freiwilligen Zielvereinbarungen zur Senkung des Energieverbrauchs, welche die Energieagentur der Wirtschaft mit zahlreichen energieintensiven Unternehmen seit vielen Jahren umsetzt, tragen zu mehr Stromeffizienz im Industrie- und Dienstleistungssektor bei. Hier sind grosse Potenziale zur Verbesserung der Energieeffizienz vorhanden, denn in diesem Sektor werden rund 35 Prozent der Gesamtenergie und 60 Prozent des Stroms verbraucht.
An der Photovoltaik-Tagung im März 2013 haben Sie im Zuge der Energiestrategie 2050 verschiedene Faktoren aufgezeigt, welche die Versorgungssicherheit der Schweiz zur Herausforderung machen. Weshalb soll es ohne massive Stromimporte und neue GuD-Anlagen nicht gehen?
Der Ausbau der erneuerbaren Energien braucht eine breite Akzeptanz für neue Anlagen und Leitungen und er muss integrativ geschehen. Denn für eine sichere Stromversorgung ist ein abgestimmter nachfragegerechter Ausbau von Produktion, Netz und Speicherung notwendig. Dies braucht Zeit. Das heisst, zumindest für den Übergang, solange die erneuerbaren Energien noch nicht entsprechend ausgebaut sind, benötigen wir Strom aus Gaskombikraftwerken oder Wärmekraftkoppelungsanlagen im Inland oder eben Importe. Dies haben Berechnungen im Rahmen unserer Studie „Wege in die neue Stromzukunft“ ergeben.
Es stehen verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl, um eine Reduktion des Stromverbrauchs zu bewirken. Welche haben für den VSE die grösste Bedeutung?
2012 hat eine vom VSE in Auftrag gegebene Studie zur Nachfrageflexibilisierung in Haushalten ergeben, dass das Stromsparpotenzial schon im beachtlichen Ausmass erschlossen und damit teilweise ausgeschöpft ist. Dies aufgrund der positiven Anstrengungen der Haushalte, der effizienteren Geräte und der bereits bestehenden Dienstleistungen der EVU. Bei Unternehmen mit einem Stromverbrauch von 100 bis 500 MWh pro Jahr sehen wir jedoch noch Potenzial: Anstelle von Einsparquoten für Stromlieferanten fordert der VSE als Alternativvorschlag, dass die bewährten Effizienz-Zielvereinbarungen auf KMU ausgeweitet werden. Auch Wartungsvorschriften für grosse energieverbrauchende Geräte, in Anlehnung an die Wartungsvorschriften bei Heizungen und Automobilen (Abgasprüfung) wären ein Mittel, den Stromverbrauch zu senken. Immerhin waren Antriebe und Prozesse zusammen mit Klima- und Lüftungsanlagen für rund 44 Prozent des gesamten Stromverbrauchs im Jahr 2011 verantwortlich.
Stromeffizienz soll ein Geschäftsfeld werden. Wie wird dieser Businessplan umgesetzt werden und welche quantitativen Ziele kann man setzen?
Wir sehen Chancen für neue Geschäftsfelder in den Bereichen neue erneuerbare Energien und Energiedienstleistungen, insbesondere auch im Bereich Energieeffizienz. Das Markt-potenzial für Energiedienstleistungen wird nach Einschätzung der Unternehmen, die in der vorher erwähnten Studie zur Energieeffizienz befragt wurden, deutlich wachsen. Grundsätzlich beurteilen die EVU das Thema Energieeffizienz längerfristig als Chance und nicht als Risiko. Diese Aussagen decken sich mit den Ergebnissen aus einer gemeinsamen Studie von VSE und The Boston Consulting Group im Jahr 2012. Demnach planen rund 85 Prozent der EVU, die Aktivitäten im Bereich der Energieeffizienz auszubauen. Diese Studie wird diesen Sommer übrigens wiederholt. Wir sind gespannt auf die Ergebnisse.
Der VSE umfasst Unternehmen, die als Spezialisten für die Stromproduktion, -speicherung und -nutzung gelten. Die Impulse kommen heute aber vor allem von der Zulieferindustrie, von privaten Photovoltaik-Investoren usw. Wie soll der VSE die thematische Führung auf dem Weg zu mehr Stromeffizienz wieder erlangen?
Die Themen Stromeffizienz und erneuerbare Energien sind eng verknüpft. Für den VSE ist es wichtig, dass die erneuerbaren Energien marktnah gefördert werden. Die KEV muss entbürokratisiert werden und anstelle von «produce and forget» braucht es Anreize für eine nachfragegerechte Produktion mit Erneuerbaren. Werden Ausbau- und Effizienzziele einseitig festgelegt und der Zubau erneuerbarer Energien und der Verbrauch langfristig gesteuert, hebelt dies die Marktkräfte aus und die Rolle der Stromversorger als Investoren wird nicht ausreichend berücksichtigt. Wird zum Beispiel subventionierte, nicht steuerbare Stromproduktion aus Wind und Sonne ohne zeitgleiche Nachfrage oder Speicherung in die Netze eingespeist, führt dies letztendlich zu Marktverzerrungen. Dies ist eines der Themen, die der VSE mit Nachdruck verfolgt.
Welche zentrale Botschaft werden Sie den Teilnehmenden der Jahrestagung mit dem Thema „Stromeffizienz als Pfeiler der Energiewende“ vermitteln?
Energieeffizienz ist nicht nur ein Pfeiler der Energiewende, viele Unternehmen und der VSE selbst haben sich die Förderung von Effizienzmassnahmen schon seit längerem auf die Fahne geschrieben. Aus heutiger Sicht ist jedoch Vorsicht geboten bei zu viel Planwirtschaft, staatlichen Eingriffen, falschen Anreizen und zu langen Verfahren. Nicht zuletzt betrifft Energieeffizienz jeden einzelnen. Einen gangbaren Weg in die künftige Energieversorgung werden wir nur gemeinsam finden, das heisst auch, wir werden Kompromisse eingehen müssen: In unserem privaten Konsumverhalten und was die Akzeptanz für neue Anlagen und Leitungen angeht.
©Text: Jürg Wellstein, der Artikel ist im energie-cluster.ch-Newsletter vom 15. Mai 2013 veröffentlicht worden.
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