Die ART-Forscher während ihrer Messungen auf einer Biogasanlage. Foto: Alina Soltermann-Pasca

Zur Identifizierung der verschiedenen Emissionsquellen haben die ART-Forscher eine Gas-Kamera eingesetzt, die auf der sogenannten Infrarot-Spektro-Radiometrie basiert. Foto: ART

Zur Bestimmung der Gärrest-Emissionen unter möglichst praxisnahen Bedingungen haben die Wissenschaftler der Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon eine dynamische Durchflusskammer entwickelt. Foto: ART

Michael Müller im Gärrestlager seiner Biogasanlage. Foto: Daniel Ammann

Michael Müller befüllt den Fermenter seiner Biogasanlage in Eschlikon (TG). Foto: Daniel Ammann

Die Biogasanlage von Michael Müller im thurgauischen Eschlikon. Foto: ART

Biogasanlagen: einfache Massnahmen gegen Methanverluste

(©BV) 84 landwirtschaftliche Biogasanlagen gibt es in der Schweiz. Doch ein Teil des Biogases verpufft ungenutzt, was den wirtschaftlichen Ertrag schmälert und die Umwelt belastet, denn Methan ist ein aggressives Klimagas. Eine Untersuchung der Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon (ART) zeigt, wie sich Methanverluste einfach reduzieren lassen.


Michael Müller bewirtschaftet im thurgauischen Eschlikon zusammen mit seiner Frau Jasmin und seinem Vater den Riethof, einen 24 ha grossen Bio-Milchwirtschaftsbetrieb. Vor fünf Jahren nahm der heute 31jährige Landwirt eine Biogasanlage in Betrieb. Das Biogas entsteht hier hauptsächlich aus der Vergärung von Gülle. Diese stammt von 100 Zuchtschweinen, 120 Kühen und 10 000 Mastgeflügel auf Müllers Hof und vier Landwirtschaftsbetrieben in der Nachbarschaft. Die Gülle und weitere Feststoffe vergären zuerst in einem Fermenter, dann in einem Nachgärer. Das entstehende Biogas verbrennt Michael Müller im eigenen Blockheizkraftwerk. Dieses liefert Wärme für eine Handvoll Gebäude und den Betrieb der Biogasanlage. Darüber hinaus produziert das Kraftwerk Strom für 250 Haushalte (knapp 1 Mio. kWh Ertrag pro Jahr).

Montagefehler

Durchschnittlich 43 Rappen bekommt Michael Müller dank KEV (Kostendeckende Einspeisevergütung) für eine Kilowattstunde. So ist er froh, wenn er das in seiner Anlage produzierte Gas auch voll zur Energieproduktion nutzen kann. Daher war er auch nicht erfreut, als er nach der Fertigstellung der Anlage bei einer Kontrolle feststellte, dass an der Stelle, wo die Doppelmembran auf die Mauerkrone anschliesst, ein Leck klaffte. Müller sorgte dafür, dass der Hersteller der Anlage den Montagefehler umgehend behob. „Es liegt schliesslich in meinem Interesse, dass möglichst wenig Methan bzw. Biogas verloren geht“, sagt Müller. „Denn solche Verluste erhöhen die Explosionsgefahr. Ohne Verluste steigt zudem mein Ertrag. Und die Umwelt profitiert auch noch.“


Gaskamera spürt Lecks auf
Die Biogasanlage von Michael Müller ist relativ jung. Die Konstruktion und fachgerechte Ausführung sorgt dafür, dass die Methanverluste gering sind. So werden Feststoffe direkt in den Fermenter eingebracht, ohne zuvor in die Vorgrube zu gelangen – das mindert die Verluste in der Vorgrube. Zudem besteht Müllers Anlage nicht nur aus einem Fermenter, sondern hat zusätzlich einen Nachgärer, in dem die Vergärung zusätzlich ausgereizt wird – das verlängert die Verweilzeit der Biomasse in der Anlage und erhöht den Biogasertrag aus dem Gärgut.

Nicht alle Schweizer Biogasanlagen sind auf diesem modernen Stand. Bei Anlagen sorgen mitunter konstruktive Mängel oder ungenügende Wartung für kleinere oder grössere Leckagen. Durch diese gelangt das Methangas in die Umwelt statt in die Wärme- und Stromproduktion. Welche Bedeutung diese Leckagen haben, zeigt nun eine vom Bundesamt für Energie in Auftrag gegebene Untersuchung der Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon (ART). Die Forscher der ART haben zwölf landwirtschaftliche Biogasanlagen minutiös auf ihre Verlustquellen hin untersucht. Für ihre Prüfung nutzten sie eine Gas-Kamera. Mit ihr lassen sich schon kleinste Verlustquellen sichtbar machen.

Konstruktive Mängel oder unzureichende Wartung

Die Resultate lassen aufhorchen. Die Forscher fanden bei allen untersuchten Anlagen zumindest einzelne Lecks. Eine besonders störanfällige Stelle ist der Übergang von der Mauerkrone des Fermenters bzw. Nachgärers zur Gashaube. Fast die Hälfte der Anlagen wies hier undichte Stellen auf. Auch gaben zwei Drittel der Anlagenbetreiber zu Protokoll, sie hätten Erfahrungen mit Folienbeschädigungen oder sie hätten schon Ablösungen der Folie festgestellt, die über die Fermenterwand gespannt ist und eigentlich dicht sein sollte. Häufig sind Methanverluste zudem bei Wanddurchbohrungen oder -aussparungen, durch die etwa Rohre in den Fermenter/Nachgärer geführt werden. Verluste treten aber auch bei den Ventilen auf, die im Bedarfsfall den Überdruck aus dem Fermenter/Nachgärer in die Umgebung abführen. Ursache dafür kann eine betriebsbedingte Überproduktion von Gas, aber auch eine Funktionsstörungen der Ventile sein. „Die meisten festgestellten Verluste sind auf konstruktive Mängel oder unzureichende Wartung zurückzuführen“, schreibt der übergeordnete Projektverantwortliche Matthias Schick im Schlussbericht der ART-Untersuchung.

Verluste gehen ins Geld

Methanverluste entstehen nicht nur durch undichte Stellen der Anlagen, sondern sie sind bis zu einem gewissen Grad eine zwangsläufige Folge von deren Bauweise. So muss die Vorgrube, in der die Vergärung von Gülle und Feststoffen bereits einsetzt, wegen Explosionsgefahr entlüftet werden. Verluste entstehen auch am Ende des Gärprozesses. Da die Gärreste nie vollständig vergoren sind, stossen sie im Gärrestlager weiterhin Methan aus. Und zwar nicht wenig, jedenfalls haben die ART-Forscher bei ihren Messungen, die sie mit einer eigens entwickelten Methode durchführten, ein erhebliches Emissionspotenzial ausgemacht. Die wichtigste Erkenntnis: Die Methanverluste bei den Gärresten sind umso geringer, je mehr Gärstufen eine Anlage hat. Bei älteren Anlagen, die nur aus einem Fermenter bestehen (1-stufige Anlage), gehen je nach Verweilzeit des Gärgutes im Fermenter über die Gärreste rund 2 % Biogas (gemessen an der gesamten Biogasproduktion) verloren. Bei Anlagen mit einem Nachgärer sind es nur rund 0.5 %.

Das ist indes erst die halbe Wahrheit. Denn hinzu kommen die Verluste durch Lecks in den Anlagen. Diese können die Forscher mit ihren Methoden bisher zwar nicht exakt beziffern, aber doch grob abschätzen. Sie berücksichtigen dabei den Umstand, dass die Verluste im Verlauf der Betriebsjahre auf Grund von Verschleisserscheinungen tendenziell zunehmen. Nach ihren Schätzungen gehen im ungünstigen Fall – nämlich bei Anlagen älterer Konstruktionsart am Ende einer 20jährigen Betriebszeit und ohne Sanierungsmassnahmen – bis zu 3 % des Methans durch Lecks verloren. Weitere Verluste – bisher nicht quantifizierbar – treten in der Vorgrube auf.

Jede Reduktion ist wichtig

Summiert man die verschiedenen Verlustquellen, resultiert folgende Abschätzung: Bei einer modernen, professionell betriebenen Anlage liegen die Methanverluste (gemessen an der Jahresproduktion) wohl unter 1 %, bei einer alten, schlecht geführten Anlage können sie deutlich mehr betragen. Solche Einbussen mögen auf den ersten Blick unerheblich erscheinen. Doch der Schein trügt. Denn Methan ist ein Treibhausgas, noch wesentlich gefährlicher als CO2. „Wir müssen uns deshalb um jedes Prozent Reduktion kümmern“, sagt ART-Forscher Schick. Dieser Meinung ist auch Anlagenbetreiber Michael Müller, und er macht es mit einer Überschlagsrechnung deutlich: Gingen von den 500 000 m3 Biogas, die seine Anlage jährlich produziert, fünf Prozent verloren, wären das 2500 m3 bzw. 30 000 kWh Energie (Wärme/Strom). Dies entspricht bei einer KEV von durchschnittlich 43 Rappen/kWh einem Betrag von 12 900 Fr. „Das ist viel Geld, und bei weniger modernen Anlagen wäre es noch mehr“, ist Müller überzeugt.

Anlagen reparieren, Betrieb optimieren

Massnahmen zur Verminderung der Methan-Verluste sind also bares Geld. Und die meisten Massnahmen verursachen auch kaum Kosten. „Wenn Anlagen sauber geplant, ausgeführt und professionell betrieben werden, entstehen praktisch keine Verluste“, sagt Markus Sax, Bauingenieur und Leiter des ART-Forschungsprojekts. Wo dann doch Verlustquellen entdeckt werden, können diese oft schon mit geringem Aufwand behoben werden. Sax nennt ein anschauliches Beispiel: „Wer regelmässig das Rührwerk fettet, erzielt schon einen grosse Wirkung.“ Ein spezielles Augenmerk sollten Betreiber von Biogasanlagen auf die Membran und den Übergang zur Mauerkrone legen, da hier oft Verluste auftreten. Wird eine Membran altersbedingt spröde und weist Risse auf, ist ein Ersatz unabdingbar. „Hier lohnt sich die Sanierung“, betont Sax.

Aufmerksamkeit als wichtigstes Instrument

Das wohl wichtigste Instrument, um Methanverluste bei Biogasanlagen einzudämmen, ist die Aufmerksamkeit der Anlagenbetreiber. Und hier hat sich in den letzten Jahren viel verbessert. Viele Betreiber sind sich der Problematik heute grundsätzlich bewusst. Hier möchten die Fachleute der ART anknüpfen. In ihrem Schlussbericht regen sie gezielte Schulungen der Anlagenbetreiber an. Denn ein Grossteil der Methanverluste entlang der gesamten Biogasanlagekette, insbesondere betriebsbedingte Verluste, wäre durch eine professionelle Schulung sowie eine entsprechende Sensibilisierung der Anlagenbetreiber zukünftig vermeidbar, sind die ART-Forscher überzeugt.

So lassen sich Methanverluste verhindern
Die Forscher der ART in Tänikon nennen in ihrem Untersuchungsbericht eine Reihe von Massnahmen, mit denen Methanverluste eingedämmt werden können.

Bauliche und technische Massnahmen

  • Zweistufige Anlagen mit Fermenter und Nachgärer (bei einstufigen Anlagen: längere Verweilzeiten des Gärguts im Fermenter)
  • Dauerhaftigkeit der Verbindung zwischen Gashaube und Behälterkrone verbessern
  • Betonbehälter im Gasbereich schützen, da Schwefelsäure den Beton angreift; säureresistente Abdichtungen bei Wandaussparungen (Schaugläser, Revisionsöffnungen)
  • Gasdichte Abdeckung des Endlagers mit den flüssigen Gärresten; Nutzung des anfallenden Biogases
  • Geschlossene, zwangsentlüftete Halle zur Lagerung fester Gärreste (laut den ART-Forschern ist die Massnahme aber „nicht prioritär“)
  • Zwangsentlüftung der Vorgrube und Rückführung der Abluft an das Blockheizkraftwerk (Zweckmässigkeit der Massnahme ist laut ART noch unklar)

Massnahmen bei Wartung und Betrieb

  • Regelmässige Kontrolle von: Befestigung der Membrane auf der Behälterkrone; Funktionalität der Überdruckventile; Dichtigkeit der Revisionsöffnungen und Membranen
  • Bewegte Teile in Wanddurchbohrungen regelmässig durch Abfetten abdichten
  • Schadhafte Membranen (Risse, Löcher) auswechseln
  • Feststoffeintrag direkt in den Fermenter statt in die Vorgrube
  • Feststoffeintrag unter dem Flüssigkeitsniveau
  • Anschaffung eines Handgeräts zum Aufspüren von Methan-Leckagen
  • Periodische Prüfung der Anlage mit einer Gaskamera
  • Fermenter so befüllen, dass keine Nutzung des Überdruckventils nötig wird
  • Optimale Steuerung der Anlage mit dem Ziel hoher Gasausbeute und geringer Verluste bei den Gärresten (Berücksichtigung von Substanzzusammensetzung, Verweilzeit, Faulraumbelastung, Temperatur)
  • Zusätzliches Blockheizkraftwerk für den Fall von Störungen und längeren Wartungszeiten des Haupt-Kraftwerks (nur bei grösseren Anlagen)
  • Gärresttemperatur nach dem Ausbringen aus dem Fermenter/Nachgärer schnell absenken, insbesondere durch Beschattung von sonnenexponierten Gärrestlagern

Herstellung von Biogas
In Schweizer Biogasanlagen werden Gülle und etliche Feststoffe (wie z.B. Mist, Grüngut, Früchtesirup, Kaffeesatz, Melasse aus der Zuckerproduktion, Glycerin aus der Biodieselproduktion, Fettsäuren) zum Zweck der Energieerzeugung vergoren. Gülle (und teilweise auch Feststoffe) werden in einer Vorgrube gesammelt. Gülle wie Feststoffe werden dann in einen wärmegedämmten Gärkessel (Fermenter) befördert und dort auf ca. 38 bis 42 °C erwärmt. Während rund 30 Tagen zersetzen Bakterien die Stoffe unter Rühren und produzieren dabei methanhaltiges Biogas. Das Gas wird unter einer halbkugelförmigen Membranfolie gesammelt, wie sie für Biogasanlagen typisch ist. In moderneren Anlagen gelangt das teilweise zersetzte Gärgut anschliessend für rund 50 Tage in einen Nachgärer, wo weiteres Biogas entsteht. Das in Fermenter und Nachgärer produzierte Gas wird in einem Blockheizkraftwerk verbrannt und dabei in Wärme und (per Generator) in Strom umgewandelt.

Die verbleibenden Reststoffe werden zum Teil in feste und flüssige Gärreste aufgeteilt. Der flüssige Teil wird als Dünger auf die Felder ausgebracht, der feste Teil etwa in den Liegeboxen von Kühen verwendet.

©Text: Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie im Rahmen des Mandats Energieforschung

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1 Kommentare

Dr. Rüdiger Paschotta

Dem Artikel ist zuzustimmen. Wenn eine Biogasanlage auch nur 2 % des erzeugten Methans durch Leckagen verliert, bedeutet dies zwar einen wohl noch tragbaren finanziellen Verlust, jedoch wird ein grosser Teil des Klimanutzens damit zunichte gemacht, da Methan innerhalb von 100 Jahren eine über 20 mal stärkere Treibhauswirkung als CO2 hat. (Über kürzere Zeiträume ist der Unterschied sogar noch grösser.) Es ist zu befürchten, dass etliche nicht in gutem Zustand befindliche Anlagen sogar klimaschädlicher sind als die Verwendung fossilen Erdgases für die Strom- und Wärmeproduktion.

Ich möchte darauf hinweisen, dass auch bei der weiteren Verwertung des Erdgases zusätzliche erhebliche Leckagen ("Methanschlupf") auftreten können, z. B. in Motoren von Blockheizkraftwerken (durch unvollständige Verbrennung) und in Anlagen zur Aufbereitung auf Erdgasqualität.

Fazit: Nur wenn die Problematik der Methanverluste sehr sorgfältig und gewissenhaft behandelt wird, kann die Biogastechnologie einen Beitrag zum Klimaschutz leisten; sonst kann sie sogar eine zusätzliche Belastung sein.

Dr. Rüdiger Paschotta
RP-Energie-Lexikon

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