Im Test: Lithium-Ionen-Batterien können bisher nicht genug Energie für lange Strecken speichern. Forscher arbeiten an höheren Energiedichten. Bild: Fraunhofer Ifam

Sonne tanken: Stecker rein und losfahren – die Idee begeistert viele Autofahrer, doch scheitert die Umsetzung bisher an den hohen Kosten der Elektrofahrzeuge.

Elektromobilität: Überspannung im Akkumarkt

(©SR) Die Elektromobilität kommt weltweit nur schwer in Fahrt, der Batterieabsatz stagniert. Vor allem europäischen Herstellern drohen Schwierigkeiten. Bei Technik und Preis hinken sie der asiatischen Konkurrenz hinterher. Aufgrund von Überkapazitäten könnte eine Pleitewelle ausgelöst werden, wie sie derzeit die Photovoltaik erfasst.


Damit hätte die Fachwelt nicht gerechnet: Der US-amerikanische Batteriehersteller A123 Systems, einer der weltweit führenden Spezialisten für Stromspeicher für Elektroautos, ist insolvent. Fast 860 Millionen Dollar Verlust häufte das Unternehmen aus Waltham in Massachusetts seit 2009 an. Zuletzt konnte es die fälligen Zinsen für Anleihen nicht mehr zahlen. Dabei belieferte A123 Grössen der Autobranche: General Motors zum Beispiel oder Fisker Automotive, einen renommierten Hersteller von elektrischen Luxusfahrzeugen aus Kalifornien.

Hoffnungsträger der Elektromobilität

A123 galt als ein grosser Hoffnungsträger der Elektromobilität. Das Beratungsunternehmen Roland Berger zählte den Batterielieferanten neben den asiatischen Konzernen AESC, LG Chem, Panasonic Sanyo und GS Yuasa zur Gruppe der fünf Hersteller, die das Akkumetier künftig dominieren. Die Berger-Analysten schätzten, dass A123 im Jahr 2015 rund elf Prozent aller weltweit eingebauten Elektroauto-Batterien liefern wird.

Diese Prognose müssen die Experten nun revidieren. Eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung A.T. Kearney mit dem Titel „E-Drive Batteries 2025“ bestätigt zwar langfristig einen grossen Batteriebedarf – danach sollen die weltweiten Umsätze mit Autoakkus von derzeit zwei auf mehr als 100 Milliarden Dollar im Jahr 2025 steigen. Doch der Weg dahin sei steinig, sagt A.T.-Kearney-Autoanalyst und Studienautor Stephan Krubasik. Derzeit bauten über 30 Zellenhersteller Produktionskapazitäten auf, die Nachfrage laufe aber nur langsam an. „Bis 2015 rechnen wir mit einer weltweit installierten Produktionskapazität von etwa 50 Gigawattstunden. Da davon nur 50 bis 60 Prozent durch Nachfrage ausgelastet sein werden, drohen erhebliche Überkapazitäten“, warnt Krubasik.

Kooperationen scheitern

Die Folge könnte eine Pleitewelle sein, wie sie derzeit die Photovoltaik erfasst. Schon heute verhandelten die Batteriehersteller über Preise, die sie erst in drei bis fünf Jahren profitabel erreichen können, erklärt Krubasik. Kleine und finanzschwache Unternehmen würden das nicht lange durchhalten. „Es ist zu erwarten, dass es von den heute 30 Batterieherstellern für elektrische Antriebe bis 2025 nur noch etwa zehn geben wird.“ Neben der Insolvenz von A123 gibt es weitere klare Vorboten einer Konsolidierung. Im September verkündeten Samsung und Bosch das Ende ihres 2008 gegründeten Joint Ventures SB Limotive. Die Partner konnten sich nicht auf gemeinsame Projekte verständigen, lautet der offizielle Trennungsgrund. Die Koreaner entwickelten die Zellen, der deutsche Autozulieferer das Gesamtsystem der Batterie. Ursprünglich wollte SB Limotive auch eine Fabrik in Europa errichten, doch im koreanischen Ulsan wurden Überkapazitäten aufgebaut. „Die reichen bis 2015, ein Werk in Europa steht nicht zur Debatte“, sagte Bosch-Sprecher Udo Rügheimer kurz vor der Trennung.

Auch Chinas Markt stagniert

Auch zwischen Daimler und dem chinesischen Autohersteller Build Your Dreams (BYD) läuft es nicht rund. In China stagniert der Markt. Bis 2015 wollte das Land eine halbe Million Elektroautos auf die Strasse bringen, nun sollen es nur noch 300000 sein. 2011 wurden in China nur 8000 Exemplare verkauft. Das ärgert Daimler offensichtlich. Bereits vergangenen Juli kursierten Gerüchte, nach denen sich die Stuttgarter entschlossen hätten, für eigene Elektroautos auf die Batterien von Partner BYD zu verzichten. Angeblicher Grund: Ein Akku des Herstellers ging nach einem Unfall in Flammen auf. Aber als eigentliches Motiv gilt die Schwäche von BYD. Der Autobauer aus Shenzen soll Medienberichten zufolge 2011 nur wenige hundert Elektrofahrzeuge abgesetzt haben. Noch vor wenigen Jahren galten solche Kooperationen zur Entwicklung von Batterien als Königsweg. Doch die Zeiten neuer Partnerschaften seien vorbei, sagt Andreas Dinger, Autoexperte der Unternehmensberatung Boston Consulting Group. „Viele Kooperationen haben nicht das gebracht, was man sich davon versprochen hat.“

Batteriepreise mindestens halbieren

Ob europäische Akkuentwickler besser fahren, wenn sie sich allein auf den Weg machen statt mit den Asiaten zusammenzuarbeiten, ist jedoch fraglich. Laut Krubasik gibt es unter den 30 Zellenherstellern weltweit nur eine Handvoll Europäer. Und die seien deutlich kleiner und teurer als die konkurrierenden Konzerne aus Fernost, sagt Krubasik. Doch rasche Kostensenkungen sind im Batteriegeschäft entscheidend. Damit Elektroautos für Kunden interessant werden, müssten sich die Batteriepreise mindestens halbieren, argumentiert Krubasik. Heute kosteten Akkus für Elektrofahrzeuge noch etwa 400 bis 600 Euro pro Kilowattstunde, was in Summe schnell mit Zusatzkosten von zehntausend Euro und mehr gegenüber herkömmlichen Fahrzeugen zu Buche schlage. Auch das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (Isi) in Karlsruhe sieht die Gefahr, dass europäische Unternehmen im harten Akkugeschäft unter die Räder kommen könnten. Der Erfolg der Elektromobilität richte sich massgeblich nach dem Preis und der Energiedichte der Batterien, die Voraussetzung für hohe Reichweiten ist, heisst es in der aktuellen „Technologie-Roadmap Energiespeicher für die Elektromobilität“ des Isi. Aber weder bei den Kosten noch technologisch sehen die Karlsruher Forscher die Europäer in aussichtsreicher Position.

Nicht ehrgeizig genug

„Die für Deutschland definierten Zielwerte der Nationalen Plattform für Elektromobilität liegen deutlich unter den Zielwerten der weltweit führenden Länder“, sagt Isi-Projektleiter Axel Thielmann. Danach sollen Lithium-Ionen-Batterien hierzulande im Jahr 2020 bei einer Energiedichte von 180 Wattstunden pro Kilogramm 280 Euro pro Kilowattstunde kosten. Zum Vergleich: Japan peilt für 2020 250 Wattstunden und 200 Euro an, China sogar 300 Wattstunden und 180 Euro. Dafür pumpt die chinesische Regierung bis 2015 sieben Milliarden Euro in die Weiterentwicklung der Elektromobilität. In Deutschland dagegen fliessen bis 2014 bescheidene 601 Millionen Euro in die Batterieentwicklung und 230 Millionen in die Antriebstechnik. Hinken die europäischen Akkuhersteller hinter der Konkurrenz her, bringt das auch Nachteile für die Entwicklung der nachhaltigen Mobilität in Europa mit sich. BMW, Daimler und Co brauchen eine starke heimische Zuliefererindustrie, um die Kontrolle über Kosten und Qualität zu haben. „Importe aus Asien sind sehr aufwendig. Daher brauchen wir in Deutschland und Europa mehr Anbieter“, betont Eric Maiser, Leiter des Industriekreises Batterieproduktion im deutschen Maschinenbauverband VDMA.

Herausforderung Massenproduktion

Allerdings wird es für die deutschen Batteriehersteller schwer, sich an China, Japan und Südkorea heranzukämpfen. Die Asiaten haben nicht nur die ehrgeizigeren Ziele, sie sind auch produktionstechnisch weiter. Während in Fernost Batterien bereits im Ansatz automatisch gefertigt werden, geht der Aufbau einer Industrie in Deutschland nur schleppend voran. „Die Herausforderung ist die Massenproduktion“, sagt Maiser. Von der Elektrodenfertigung bis zum 350 Kilogramm schweren Batteriepack für das Auto würden 14 Produktionsschritte benötigt. Es sei kompliziert, diese aufeinander abzustimmen. „Bei so vielen Fehlerquellen kann die Produktion leicht unbrauchbar werden“, erklärt Maiser. Auch die Sicherheit der Akkus lässt sich noch verbessern. Bisher verwenden die Hersteller in der Zelle Kunststoff als Separatormaterial, der aber wenig stabil ist und bei einem Unfall leicht kaputt geht. Keramik ist stabiler und kann einen unkontrollierten Energieausfluss und somit einen Brand wirkungsvoller verhindern, macht die Zelle aber auch bis zu zehn Prozent teurer.

Auf Augenhöhe mit den Asiaten
Trotz der Hürden und schlechten Prognosen für die Europäer glaubt Maiser an eine erfolgreiche Zukunft der Batteriefertigung in Deutschland. „Wir brauchen mehr branchenübergreifendes Denken“, nennt er eine wesentliche Bedigungung. Seit einem Jahr bringt der VDMA daher Maschinenbauer aus Branchen wie Elektronik und Verpackungstechnik mit Forschern zusammen. „So lässt sich herausfinden, welche Maschinen und Prozesse für die Weiterentwicklung der Batterienproduktion sind und wie durch Kooperationen wettbewerbsfähig Geasamtlösungen zustande kommen“, so der Akkuexperte. Li-Tec Battery, ein deutsch-deutsches Joint Venture von Daimler und dem Industriekonzern Evonik, macht Hoffnung. Es produziert im sächsischen Kamenz Batterien, die in die B-Klasse von Mercedes und den Smart eingebaut werden. Boston-Autoexperte Dinger sagt, Li-Tec sei auf Augenhöhe mit den Asiaten.

©Text: Sascha Rentzing

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