Die KWO initiierte zusammen mit der Energieregion Goms und dem TCS etwa die Elektroauto-Flotte „Alpmobil“. Sie vermietet Touristen im Berner Oberland die elektrischen Fahrzeuge. ©Bild: Alpmobil

Einer der Hauptentwickler der Salzbatterien, besser bekannt als ZEBRA-Batterie, ist der Deutsche Cord-Henrich Dustmann, dessen Firma „Battery Consult“ sich mit einem Forschungsteam seit einem Jahr in Meiringen niedergelassen hat. Bild: Battery Consult

Batterieforschung: Meiringer im Wettlauf mit drohenden Netzkollapsen

(©MC) Die Solarenergie boomt. Nun drohen infolge hoher Solarstromspitzen Netzkollapse. Ein Ausweg wären Haushalte mit „intelligent“ bewirtschafteten Energiespeichern für eigenproduzierten Solarstrom und Elektroauto. Die praktischen Konsequenzen erforscht die ESE-Genossenschaft in Meiringen, unterstützt von der Klimastiftung Schweiz.


„Entscheidend ist nicht das Batteriemanagement selbst, sondern das Energiemanagement“, sagt der deutsche Batterieexperte Matthias Vetter vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme. Vetter beurteilte die Situation an einem von der Messe Intersolar organisierten Experteninterview so: „Es wird zukünftig eine Wechselwirkung zwischen dem Hausenergiemanagement und Verteilnetz geben. Wie diese Struktur aussehen wird, ist aus meiner Sicht noch offen beziehungsweise Gegenstand von Forschungs- und Entwicklungsprojekten. Eines lässt sich aber aus heutiger Sicht schon sagen: Die Integration von dezentralen Speichern macht nur Sinn mit einem intelligenten Energiemanagement, das neben dem Gebäude auch die Netzaspekte berücksichtigt.“

Solar-Batterie-Elektroauto-Kombis verändern Grundregeln

Die Entwicklung von Solar-Batterie-Elektrofahrzeug-Kombianlagen könnte eine Revolution für die Elektrizitätswirtschaft darstellen. Das Britische Wirtschaftsmagazin „The Economist“ schrieb in seiner Ausgabe vom 3. März: „Bessere Speichermethoden für Strom sind dringend erforderlich, wenn das Elektrizitätssystem sauberer und effizienter werden soll – aber das wird die bisherigen Grundregeln (der Elektrizitätswirtschaft d. Red.) ändern“. Das Magazin gelangt zur Einschätzung, „es hängt vom zukünftigen Preis ab“. Und als Schwachstelle wird die Batterie ausgemacht. „Wenn die Batterie eines Elektroautos weiterhin bis zu einem Drittel des Anschaffungspreises ausmachen“, wird es – als Dreh- und Angelpunkt eines neuen Energiesystems, „viel zu teuer bleiben im Vergleich (mit konventionellen Autos, d. Red.) zu den damit eingesparten Energiekosten“.

Energiemanagement mit Batteriemanagement und Elektromobilität – das sind just auch die Themen, die sich Max Ursin aus Meiringen auf die Fahne schrieb. Vor drei Jahren half er die „ESE Mobility Management Genossenschaft“ aus der Taufe heben. Sie wird unter anderen von der Klimastiftung Schweiz finanziell unterstützt.

Meiringer E-Auto-Pioniere: Batterie nicht „easy“

Die Ese Genossenschaft vermietet Batterien für den Betrieb von Elektromobilen. Damit verfolgt sie zwei Gedanken, so Max Ursin: Einerseits „die Erschwinglichmachung der Elektromobilität für möglichst viele“. Zum anderen, ein Geschäftsmodell zu entwickeln und zu finden um die „enormen zukünftigen Solarstrompulse“, die durch den Bau von immer mehr Anlagen im Land entstehen könnten, zwischenzuspeichern und dann dem Konsumenten zu liefern, wenn er die Energie braucht.

Das E in ESE steht daher für „easy“. Englisch: für einfach, leicht, locker“, erklärt Ursin. „Die Batterie ist für uns aus drei Gründen interessant: Nimmt die Elektromobilität zu, wird es durch die massenhafte Aufladung der Elektromobile im Gegensatz zu den Solarpulsen zusätzlich auch enorme Nachfragespitzen geben, die die Netzstabilität zusätzlich gefährden. Das Batteriemanagement wird also für die Lokalnetzbetreiber die Herausforderung Nummer 1 sein.“ Andererseits ist der Elektroautofahrer auch auf funktionierende, langlebige Batterien angewiesen. Der Umgang mit diesen erfordert ein heute erst teilweise vorhandenes Spezialistenwissen. Zu dieser Einsicht gelangte etwa der französische Autokonzern Renault, der zwar Elektrofahrzeuge verkauft, aber die Batterie nur vermietet – damit, so ein Renault-Sprecher, bleibt das „technologiekritische Kernstück in unserer Hand und wir entlasten die Kunden“.

Aus Drohung ein Vorteil machen: Batterie-Solar-Zusatznutzen

Das bietet „interessante, Zusatznutzen, die wir erkunden müssen“, so Max Ursin. Die Batterie, sofern sie wirtschaftlich wird, ist damit der Schlüssel zur Schweizer Solarstrombewirtschaftung und für die künftige Elektromobilität. Er denkt dabei vorab an die Nutzung der Elektroautobatterien als Zwischenspeicher für die Energiewirtschaft. Wenig überraschend, Ursin arbeitet seit Jahren mit Spezialaufgaben betraut, für die Kraftwerke Oberhasli (KWO), besser allgemein bekannt als Grimselstrom.

„Wenn wir die erneuerbaren Energien nutzen wollen, sind wir auf jede Menge Speicher angewiesen“, sagt Ursin. „Die Pumpspeicherung wird dafür alleine nicht ausreichen.“ Was also tun? Schon lange denkt die KWO an Alternativen. So initiierten sie zusammen mit der Energieregion Goms und dem TCS etwa die Elektroauto-Flotte „Alpmobil“. Sie vermietet Touristen im Berner Oberland die elektrischen Fahrzeuge. Das schont nicht nur die lokale Umwelt und erlaubt darüber hinaus interessante Einblicke in den harten Elektromobilität, die trotz vieler Ankündigungen der Industrie in den letzten Jahren in Realität kaum vom Fleck kommt. Mit „Alpmobil“ eignen sich die Oberländer einen soliden Grundstock an Expertenwissen an.

Stromspeicher drohen teuer zu bleiben

Die Knacknuss für „Alpmobil“ ist, wie bei allen, die Batterie. „Mit der Batteriebewirtschaftung steht und fällt das Thema“, beobachtete Max Ursin. Die zeitlich nach der „Alpmobil“ gegründete ESE soll genau in diese Lücke zwischen Anwendung des Elektroautos und Batterieforschung einspringen. Indem sie die Stromspeicher vermietet, macht sie den Beteiligten das Leben leichter: Die technisch anspruchsvollen, und sehr teuren Stromspeicher werden professionell gemanagt, wie es zum Beispiel auch Renault betreibt.

Für die Ese gibt es aber auch reizvolle Vorstellungen über den Nutzen von Batteriespeichern in Zukunft: Dereinst könnten Batteriebesitzer vielleicht als „kleines Speicherkraftwerk“ in sinnvoller Zusammenarbeit mit anderen Nutzern kooperieren. Ursin: „Die Sache könnte interessant werden, wenn mit einer Batterie Geld verdient werden kann. Das könnte unterm Strich so weit gehen, dass der Nutzer des Elektroautos durch die Dienste der Batterie für die Energiewirtschaft mehr Geld für seinen ‚Elektro-Treibstoff‘ erhält als er in einem Jahr dafür bezahlt.“

Das heute Verkehrskonzept steht vorm Scheitern

Das sehen renommierte Mobilitätsforscher ähnlich. Andreas Knie ist Senior Researcher der Forschungsgruppe Wissenschaftspolitik am Wissenschaftszentrum Berlin. Knie rät in seinem soeben erschienenem Buch „Einfach aufladen – mit Elektromobilität in eine saubere Zukunft“: „In einem neuen Verkehrsgesamtkonzept wenden sich die oft kritisierten Beschränkungen des Elektroautos, nämlich seine begrenzte Reichweite und lange Ladezeiten, ins Positive: So könnten E-Autos etwa neben ihrer Funktion als Verkehrsmittel gleichzeitig als Puffer dienen, um wetterbedingte Schwankungen bei der Erzeugung von Naturstrom auszugleichen.“ Ohnehin sieht Knie die Elektromobilität als unausweichlich an: Klimawandel, Rohstoffknappheit und der drohende Verkehrsinfarkt erzwingen einen Wechsel hin zu „postfossilen Energieträgern“.

Die Bedeutung von Energiespeichern wurde in den vergangenen Monaten nur allzu klar. Die Energiewende kann nur vollzogen werden, wenn zeitnah Stromspeichertechnologien verfügbar sind, die die Bereitstellung und den Verbrauch erneuerbarer Energien zuverlässig regeln. „Der aktuelle Energiemarkt zeigt die bisherigen Probleme des Ausbaus und der Integration der regenerativen Stromerzeugung.“ Dies war eine Erkenntnis, die Beobachter der ersten Fachmesse für Batterie- und Energiespeicher-Technologien Anfang Oktober in Stuttgart zogen.

Zukunft der „Batterie der Zukunft“ ungewiss

Dabei stehen natürlich eine ganze Reihe von Batterietypen zur Verfügung. Wobei noch keiner so genau weiss, wohin die Reise geht. Die heute verbreiteten Lithium-Ionen Batterien haben insofern einen Vorteil, als dass sie im grossen Massstab für die Mobilkommunikation und Computer erzeugt werden – und daher relativ günstig sind. Die ESE selbst unterstützt nach Kräften Forschungsanstrengungen auf dem Gebiet der so genannten Salzbatterien.

Salzbatterien enthalten im Lagerzustand Kochsalz und sind inaktiv. Erst bei hohen Temperaturen (250 Grad Celsius) schmelzen die Salze, wodurch die Batterie aktiviert wird. Die Batterie verfügt über eine hohe Leistungsdichte, bei vergleichsweise tiefen Kosten. Diese Natrium-Nickelchloridzellen, besser bekannt als ZEBRA-Batterie, gelten als vielversprechend, wegen der sehr günstigen Rohstoffe (Kochsalz, Nickel), die überdies einfach dem Recycling zugeführt werden können. Einer der Hauptentwickler ist der Deutsche Cord-Henrich Dustmann, dessen Firma „Battery Consult“ sich mit einem Forschungsteam seit einem Jahr in Meiringen niedergelassen hat – dank praktischer Hilfe der KWO und der ESE, und auch durch den finanziellen Support des Bundesamtes für Energie und der Berner Wirtschaftsförderung „beco“.

Meiringen
forscht an Salzbatterien
Der weitaus grösste Beitrag an die Meiringer „Battery consult“ stammt indes vom Innovationsfonds der brasilianischen Elektrizitätswirtschaft, der sich durch seine Unterstützung eine erste Salzbatterienfabrik im eigenen Land verspricht. Für den Speichertechnik-Mann Max Ursin ist klar: „Sobald Kombi-Solar- und Batteriemanagementsysteme wirtschaftlich werden, reden wir über neue Formen der Energiespeicherung. Schliesslich machen auch viele kleine Speicherpfützen einen grossen Speichersee.“

Das wirtschaftliche Rennen über Solar-Batterie-Elektroauto-Kombianlagen hat bereits begonnen, doch die Schweizer Stromwirtschaft droht das Thema zu verschlafen, abgesehen von der Ese in Meiringen. So gab der deutsche Stromriese RWE Ende November bekannt, in diesen Markt einzusteigen. Ab Frühjahr 2013 wird RWE ein Solar-Batterie-Kombisystem anbieten, dass den solaren Eigenverbrauch von Hausbesitzern durch die Batterie bis auf 60 Prozent verdoppelt gegenüber den heutigen Verbrauchswerten. Unter Einbezug einer intelligenten Steuerung der Haushaltgeräte könnte dieser Betrag weiter gesteigert werden. Unter diesen Vorzeichen ist es schon heute für Hausbesitzer in Deutschland günstiger selbst Strom zu machen als diesen vom Netz zu beziehen.

©Text: Marc Gusewski

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