Im Visier: Die Europäische Produktion prüft, zu welchen Kosten Module in China produziert werden. ©Foto: Trina Solar

Billigimporte?: Chinesische Solarhersteller werden beschuldigt, Module zu unerlaubt niedrigen Preisen in Deutschland zu verkaufen. ©Foto: Hamburger Hafen

Photovoltaik: Sonnenkrieg

(©SR) China vergilt mögliche Sanktionen der Europäischen Union gegen seine Solarindustrie. Das Reich der Mitte erwägt Anti-Dumpingzölle auf Siliziumimporte und klagt zudem gegen die Ökostromförderung in Europa. Eine Eskalation des Handelskonflikts wäre Gift für das weitere globale Wachstum der Photovoltaik.


Konfuzius sagt: „Durch Geradheit vergelte man Unrecht, durch Güte vergelte man Güte.“ Für die heutige Zeit liesse sich die 2500 Jahre alte Weisheit am ehesten als Aufforderung zur Deeskalation und Zurückhaltung interpretieren: Gleiches sollte nicht per se mit Gleichem vergolten werden. Doch nach Beschwichtigung, wie sie ihr grosser Philosoph anmahnt, steht den Chinesen nicht der Sinn. Die Europäische Union (EU) prüft Vorwürfe gegen die chinesische Solarindustrie wegen Dumpings und illegaler Subventionen, prompt folgt der Gegenschlag. Zum einen will das Handelsministerium in Peking jetzt untersuchen, ob europäische Siliziumhersteller den Zellengrundstoff in China zu ungerechtfertigt niedrigen Preisen verkaufen. Zum anderen reichte es bei der Welthandelsorganisation WTO Klage gegen die EU ein. Der Vorwurf: In einigen europäischen Staaten soll Solarstrom höher vergütet werden, wenn er mit Zellen aus Europa erzeugt wird.

Forderung nach Strafzölle auf Silizium aus Europa

Chinas Solarindustrie kommt Pekings Reaktion sehr gelegen. „Die Solarbranche befindet sich an einem kritischen Wendepunkt, der ihren langfristigen Erfolg bestimmen wird“, erklärt Zhiheng Zhao, Vizepräsident des chinesischen Solarkonzerns Yingli Green Energy. Bereits im August, kurz nach dem die europäische Industrieinitiative EU Prosun unter der Führung des Bonner Solarkonzerns Solarworld bei der EU eine Anti-Dumpingklage gegen Chinas Modulproduzenten einreichte, sprachen die vier grossen Hersteller des Landes, Yingli, Suntech, Trina und Canadian Solar, im Pekinger Handelsministerium vor (siehe Kasten). Dabei soll das Quartett laut dem Fachblatt Photon unter anderem Strafzölle auf Silizium aus Europa gefordert haben.

Damit droht der Solarstreit in einen internationalen Handelskrieg auszuarten, der über die Grenzen der Photovoltaik (PV) hinausgeht. „Wir erleben in der EU schon jetzt die grösste Handelsstreitigkeit, die es je gegeben hat“, erklärt Carsten Lietz, Sprecher der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland. Das Volumen chinesischer Solarimporte lag nach EU-Angaben 2011 bei rund 20 Milliarden Dollar. Das entspricht exakt dem Gesamtumsatz der deutschen PV-Industrie im Vorjahr. Im glimpflichen Fall erweisen sich die gegenseitigen Anschuldigungen als haltlos und der Solarhandel geht wie gehabt weiter. Schlimmstenfalls schlägt der Konflikt Wellen des Protektionismus, die auch andere Branchen erfassen. Gerüchten zufolge sollen Vertreter Chinas Unternehmen der europäischen Autoindustrie bereits gedroht haben, dass Solarzölle sehr negative Folgen für sie haben würden. Die deutschen Autobauer träfen Handelsbarrieren hart, denn China ist einer ihrer stärksten Absatzmärkte.

Strafzölle auch für Autos?

Der Ursprung des Konflikts liegt im rasanten Aufstieg der chinesischen PV-Hersteller. Noch vor fünf Jahren dominierten deutsche Produzenten wie Q-Cells aus Thalheim, Solon aus Berlin oder Solarworld den globalen Solarmarkt. Hohe Einspeisevergütungen für Sonnenstrom in vielen Ländern Europas heizten die Modulnachfrage an und bescherten den Herstellern üppige Gewinne. So konnten sie ihre Investitionen zwischen 2006 und 2009 mehr als verzehnfachen. Doch offensichtlich haben Q-Cells und Co ihr Geld in die falschen Massnahmen investiert. Statt ihren technologischen Vorsprung durch Innovationen abzusichern und effizientere Zellen zu entwickeln, setzten sie stur auf den Ausbau der Massenproduktion (02/2011).

Für die aufstrebenden chinesischen Produzenten wurden sie damit angreifbar. Innerhalb weniger Jahre schafften es viele chinesische Firmen, die Europäer nicht nur einzuholen, sondern auch abzuhängen. Dank der Expertise australischer PV-Forscher und Produktionsmaschinen aus Deutschland liefern sie inzwischen Module mit gleicher Effizienz und ebenso guter Qualität, aber bis zu 30 Prozent billiger. Dadurch konnten die Chinesen ihren Markanteil in Europa in den vergangenen fünf Jahren auf 80 Prozent vervierfachen. Die Folge ist eine Pleitewelle in der europäischen Solarindustrie, die nach Angaben des Bundesverbands Solarwirtschaft allein in Deutschland bisher 30000 Menschen den Arbeitsplatz gekostet hat.

Milliardenschwere Subventionen

Nach Meinung von Prosun-Präsident Milan Nitzschke sind illegale Handelspraktiken Schuld an der Krise der europäischen Hersteller. „Die Volksrepublik füttert ihre Solarunternehmen seit Jahren mit milliardenschweren Subventionen. Daher können sie ihre Produkte zu einem Preis verkaufen, der 60 bis 80 Prozent unter den Herstellungskosten liegt.“ Tatsächlich stehen den chinesischen Solarkonzernen enorme Kreditlinien zur Verfügung. Laut dem Finanzinformationsdienst Bloomberg New Energy Finance hat die staatliche China Development Bank (CDB) Ende September zwölf Solarunternehmen zinsverbilligte Kredite in Höhe von insgesamt 43 Milliarden US-Dollar in Aussicht gestellt. „Darum gehen die Firmen trotz enormer Verluste nicht bankrott“, sagt Nitzschke.

Strafzölle bis zu 250 Prozent

In den Vereinigten Staaten werden die Chinesen für ihr Handelsgebaren bereits bestraft. Die US Regierung hat im Zuge einer Klage der Industrieinitiative Coalition for American Manufacturing (CASM) unter der Ägide von Solarworld USA ermittelt, dass Peking seine Solarhersteller mit über 25 Milliarden US-Dollar an Subventionen, zinsgünstigen Darlehen und billiger Energie unterstützt. Deshalb erhebt Washington seit dem Frühjahr gepfefferte Strafzölle von bis zu 250 Prozent auf chinesische Solarware. Dazu kommen Anti-Subventionszölle von 15 Prozent, um Exporthilfen der chinesischen Regierung zu kontern. Von den grossen Asiaten trifft es Suntech besonders hart. Der Konzern muss in den USA Anti-Dumpingzölle in Höhe von 32 Prozent und die zusätzlichen Zwangsabgaben für die Exporthilfen von 15 Prozent zahlen. Ermutigt von diesem Erfolg hat Solarworld auch in Europa Verfahren gegen China wegen Solar-Billigimporten und illegaler staatlicher Unterstützung angestossen. Bisher läuft alles wie geplant: Die EU prüft die Vorwürfe in zwei unabhängigen Verfahren und wird bis spätestens Ende 2013 entscheiden, ob die Chinesen auch an Europas Grenzen zur Kasse gebeten werden.

Beschliesst Brüssel Sanktionen, werden viele europäische Solarfirmen zunächst erleichtert sein. Europa ist mit Abstand der wichtigste PV-Markt der Welt mit einem Anteil von 70 Prozent. Gewinnen europäische Hersteller hier Boden zurück, könnten sie wieder zu einer ernst zu nehmenden Grösse im globalen Solargeschäft werden. Doch Sanktionen gegen China bergen auch die grosse Gefahr, dass sie einen Handelskrieg auslösen, der allen Beteiligten erheblichen Schaden zufügt. „Die Chinesen werden alles tun, um unliebsame Konkurrenten auszubooten und sich die uneingeschränkte Vorherrschaft in der PV zu sichern“, sagt Chinaexperte Frank Haugwitz. Peking sieht die Solarenergie nicht zu Unrecht als eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts: Sonnenstrom wird rasant billiger, entlang des Äquators in Afrika, Asien und Südamerika entstehen derzeit sogenannte natürliche Märkte, für die Solaranlagen ohne Förderung interessant sind. Wer sich jetzt gut positioniert, wird in diesen Märkten in einigen Jahren viel Geld verdienen.

Chinesisches Doppelspiel

Der Solarriese türmt sich daher drohend vor dem Rest der Welt auf. „Wir wollen den Dialog“, versichert Suntech-Sprecher Björn Emde. Doch es riecht nach einem Doppelspiel der chinesischen Unternehmen. Von ihnen angespitzt, hat die Regierung in Peking gleich mehrere Verfahren gegen Solarfirmen in der EU, in Südkorea und in den USA eingeleitet. Im Visier haben die Behörden vor allem die Siliziumhersteller, die von der Solarkrise bisher weitgehend verschont blieben. Wie zum Beispiel den Münchner Chemiekonzern Wacker, den Einfuhrbeschränkungen schmerzlich treffen würden. „Ein grosser Teil unseres Polysilizium geht nach Asien“, sagt Wacker-Sprecher Florian Degenhart. Für Ersatz, so denkt man wohl in Peking, könnten künftig auch die vielen Siliziumhersteller im Land sorgen. Sie leiden ohnehin stark unter der krisenbedingten Produktionsflaute, infolge derer die Preise für Silizium aus China im ersten Halbjahr um fast 50 Prozent auf 27,50 US-Dollar pro Tonne eingebrochen sind.

Eric Maiser vom deutschen Maschinenbauverband VDMA befürchtet, dass auch deutsche Maschinen- und Anlagenbauer ein mögliches Ziel für chinesische Strafzölle werden könnten. „Das ist nicht auszuschliessen“, sagt der PV-Experte. Sanktionen Chinas gegen die Equipmentanbieter hätten verheerende wirtschaftliche Folgen für die Firmen: Branchengrössen wie Centrotherm aus Blaubeuren oder Schmid aus Freudenstadt exportierten zuletzt rund 80 Prozent ihrer Umsätze mit Exporten nach China. Die Solarhersteller im Land könnten aber auf Produktionstechnik „made in Germany“ mittlerweile ebenso gut verzichten wie auf Siliziumimporte. Maiser sagt, dass China eine eigene Zuliefererindustrie aufbaut, die das Equipment liefern kann. Massiver Ärger droht in Europa auch auf politischer Ebene. China fühlt sich von sogenannten Local-Content-Klauseln in Griechenland und Italien diskrimiert, nach denen im jeweiligen Land hergestellte Module besser gefördert werden als importierte Ware – und hat offensichtlich gute Chancen, dass sich die WTO dieser Deutung anschliesst. „Nach den geltenden Verträgen sind die Chinesen wohl im Recht“, meint Rainer Falk vom Fachinformationsdienst Weltwirtschaft und Entwicklung. In einem ähnlichen Verfahren, das die EU und Japan gegen eine Local-Content-Regel in der kanadischen Provinz Ontario angestrebt haben, werde die WTO einem durchgesickerten Zwischenbericht zufolge der Klage voraussichtlich stattgeben. Ontario wie Griechenland und Italien müssten ihre Fördergesetze dann überarbeiten und in langwierigen gesetzgeberischen Prozessen neu auf den Weg bringen.

Auch China kann viel verlieren

Doch auch China kann im Solarstreit viel verlieren. Schottet sich nach den USA auch Europa ab, brechen den chinesischen Herstellern die beiden wichtigsten Exportmärkte weg. Zwar will Peking die Solarinstallationen im eigenen Land hochfahren, um seine Produzenten zu entlasten – die Rede ist von einer Verdoppelung der Neuinstallationen im kommenden Jahr auf zehn Gigawatt. Reichen wird das aber längst nicht, um Verluste in den USA und Europa zu kompensieren. Daher wird es wahrscheinlich auch in China eine Selektion geben, die nur die stärksten Unternehmen überleben. Dass Peking nicht alle Solarfirmen durchfüttern wird, gilt als sicher. Seit dem Frühjahr kursiert eine Liste mit sechs grossen und sechs kleinen Solarunternehmen, die Vorzugskredite von der CDB erhalten sollen. Bekannt sind bisher sechs Firmen, darunter Yingli, Suntech und Trina sowie die kleineren Firmen Chaori, Hareon und Sungrow. Die vielen anderen Hersteller im Land dürften es gegen diese „gepushte“ Konkurrenz äusserst schwer haben.

Streit schadet der Photovoltaik

Die wohl schlimmste Konsequenz eines Handelskriegs wäre jedoch, dass die PV als Stromquelle für die Energiewende auf der Strecke bleibt. Werden Chinas Produkte mit Zöllen belegt oder entscheiden sich die chinesischen Hersteller, nicht mehr in geschützte Märkte zu exportieren, droht Solartechnik dort teurer zu werden. Denn nach dem von chinesischen Firmen getriebenen Preisverfall wird das Bestreben der Hersteller in den USA oder Europa, wieder zu gewinnbringenden Preisen zurückzukehren. Die Konsequenz wird sein, dass weniger in PV investiert wird und Märkte schrumpfen. Erschwert wiederum China Solarimporte aus Deutschland, könnte die PV im Land ein Qualitätsproblem bekommen. Silizium aus China gilt wegen seiner vergleichsweise geringen Reinheit nicht als Topware für Zellen, europäische Solarmaschinen lassen sich nicht so leicht nachbauen. Solarmodule aus China könnten daher künftig an Leistung und Lebensdauer einbüssen und so dem Image der Solarenergie schaden. Am sinnvollsten wäre es wohl, im Solarstreit nach Konfuzius zu handeln: Gemüter beruhigen und kooperieren.

©Text: Sascha Rentzing

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Solar-Wahrheit

Solarworld hat selbst jahrelange PV-Module günstig aus China bezogen und den deutschen Kunden teuer verkauft.
Das Grundproblem ist die vor allem von der FDP durch die abupte Änderung des EEG und Verunsicherung der Kunden verursachte Vollbremsung in deutschen PV-Markt, als größter Markt weltweit.

Im Februar sagte Solarworld-Chef Asbeck noch, dass dies zehntausende von Arbeitsplätzen kostet:
www.europa-solar.ag/JPG/2012-02-24%20Solarworld-Chef%20fuerchtet%20Firmensterben%20durch%20Subventionskuerzungen.jpg

Als Solarworld und die ganze, nicht gut koordinierte Solarbranche die EEG-Änderung nicht wesentlich verhindern konnten, der Kuchen insgesamt kleiner wurde, Insolvenzen wie erwartet auch kamen und Solarworld mehr und mehr an Eigenkapital einbüsste, sah Herr Asbeck offenbar nur noch eine Überlebenschance für Solarworld, wenn er durch Protektionismus die Chinesen fernhält.

Die von Solarworld angezettelte geheime EU-Klage schadet nicht nur den PV-Installationsbetrieben in Deutschland, sondern der ganzen Wirtschaft. China erhebt bereits Zölle auf nahtlose Stahlrohre. Es herrscht Handelskrieg, der allen schadet:
www.europa-solar.ag/JPG/2012-11-08%20Chinas%20Echo%20auf%20Solarworld.png

Die folgenden Dokumente dienen als Hintergrundinformation:
www.europa-solar.ag/JPG/SolarWorld%20made%20in%20china.JPG
www.europa-solar.ag/JPG/SolarWorld%20made%20in%20china%20-%20Report2.png
www.europa-solar.ag/JPG/SolarWorld%20made%20in%20china%20-%20Report1.jpg

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