Hightech en masse: Die Nachfrage nach Solaranlagen steigt – und damit auch der Bedarf an Wechselrichtern, die den Gleichstrom der Anlagen in netzfähigen Wechselstrom umwandeln. Foto: SMA

Elektronikfertigung: Wechselrichter müssen immer komplexere Aufgaben übernehmen. Das erschwert die Produktion. Foto: SMA

Wechselrichter: Kleiner Kasten, grosse Wirkung

(©SR) Wechselrichter werden zum Dreh- und Angelpunkt einer Solaranlage. Neueste Geräte erhöhen die Stromausbeute, stützen zugleich das Netz und koordinieren den Eigenverbrauch der Sonnenenergie. Bis spätestens ab 2014 müssen sich in Deutschland alle Solaranlagen mehr als zehn kW Leistung, die ab September 2005 installiert wurden, an der Stabilisierung der Leitungen beteiligen. Und die Wechselrichter sollen obendrein noch die deutsche Industrie retten.


Gut 300000 deutsche Solaranlagenbesitzer bekommen in diesen Monaten Post von ihrem Netzbetreiber. Was ihnen da ins Haus flattert, ist aber nicht die übliche Abrechnung der Einspeisevergütung. Es ist der Bescheid, dass ihre Anlage an der bisher grössten Umrüstaktion in der Geschichte der Photovoltaik teilnehmen muss. Weil immer mehr Sonnenenergie in die empfindlichen Netze strömt, sollen sich spätestens ab 2014 alle Solaranlagen mit mehr als zehn kW Leistung, die ab September 2005 installiert wurden, an der Stabilisierung der Leitungen beteiligen. Die neue Niederspannungsrichtlinie sieht vor, dass die Solargeneratoren bei einer Überfrequenz im Netz ab 50,2 Hertz nicht stumpf abschalten, sondern stufenweise abregeln. Damit werden grössere Bestandsanlagen genauso behandelt wie alle Neuinstallationen, die diese Anforderungen seit dem 1. Januar dieses Jahres erfüllen müssen.

Angemessene
Vorsichtsmassnahme
Die gute Nachricht für den einzelnen Betreiber: Er braucht sich nicht um die Umrüstung zu kümmern und muss dafür auch nicht zahlen. Der Netzbetreiber schickt eigene Installateure, die die Software des Wechselrichters updaten oder deren Einstellungen ändern. Die Kosten – insgesamt geschätzte 65 bis 175 Millionen Euro – zahlen alle deutschen Stromverbraucher über die Umlage für erneuerbare Energien mit ihrer Stromrechnung. Das wird der „teuren“ Photovoltaik wahrscheinlich erneut Kritik einbringen, doch sei die Vorsichtmassnahme angemessen, wie Jürgen Schmid, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik, betont. „Ein Blackout würde Kosten in Milliardenhöhe verursachen.“

Mit der grossen Umrüstaktion gewinnt nun plötzlich ein Gerät an Bedeutung, das bisher kaum beachtete wurde. Wechselrichter sind längst mehr als nur schnöde Metallkästen, die den Gleichstrom der Module in netzfähigen Wechselstrom umwandeln. Moderne Inverter helfen bei der Stabilisierung der empfindlichen Leitungen. Sie dosieren bei Bedarf die Leistung der Solaranlage und speisen sogenannte Blindleistung zur Regelung der Netzspannung ein. Und sie vermeiden gefährliche Lastspitzen am Mittag, indem sie die Solaranlage bei zu hoher Stromproduktion abregeln.

Vom Mitläufer zum Manager

Die meiste Zeit des Tages versucht der Wechselrichter allerdings, möglichst viel Leistung aus den Zellen herauszuholen. Leistung ist das Produkt aus Strom und Spannung. Sie variiert ständig, weil sich im Tagesverlauf Einstrahlung und Temperatur ändern. Damit verschiebt sich stetig auch der optimale Arbeitspunkt, der Maximum Power Point, der Zellen. Der sogenannte MPP-Tracker des Wechselrichters, ein spezieller Programmcode, hat die Aufgabe, diesen Punkt regelmässig zu errechnen und anzusteuern. Mit den Daten reguliert die Wechselrichterelektronik die Spannung der Zellen immer so, dass damit möglichst viel Licht in Strom umgewandelt wird. „Der Wechselrichter ist somit massgeblich für hohe Erträge einer Solaranlage“, sagt Andreas Schlumberger, Sprecher des schwäbischen Wechselrichterherstellers Kaco.

Während sich innovativen Hersteller im Wechselrichtermarkt gute Wachstumschancen bieten, können Kunden bei immer neuen Features und Funktionen jedoch leicht den Überblick verlieren. Die Möglichkeiten bei der Planung sind schier unüberschaubar: Es gibt verschiedene Modultypen, Standorte und zudem die neuen Auflagen – und eine entsprechend grosse Vielfalt an Wechselrichtern. An die 1000 Modelle werden laut einer aktuellen Erhebung der Fachzeitschrift Photon in Deutschland angeboten, davon fällt fast die Hälfte in die für private Betreiber relevante Leistungsklasse bis zehn kW. Doch Anlagenbesitzer können sich dem passenden Gerät zumindest per Ausschlussverfahren annähern. Die verwendete Modultechnik ist das erste wichtige Auswahlkriterium. Moderne Inverter kommen ohne schwere und teure Transformatoren aus, aber für Dünnschichtmodule empfehlen Experten die wuchtigen Kästen weiterhin. „Der Trafo erdet die Anlage und schützt die recht empfindlichen Dünnschichtzellen vor zerstörerischen Ableitströmen“, erklärt der Elektroinstallateur Josef Lomme aus Geldern am Niederrhein.

1000 verschiedene Model
le
Die zu erwartende Einstrahlung am Standort ist für die Inverterwahl ebenso wichtig. So tritt zum Beispiel bei Teilverschattung des Sonnendachs das Problem auf, dass verschattete Module einen anderen Betriebspunkt haben als voll beschienene. Da ein MPP-Tracker die Anlage nur auf einen solchen Punkt einstellen kann, ist die Energieausbeute eventuell geschmälert – je nach dem, ob er zufällig den idealen Arbeitspunkt der verschatteten oder der besonnten Paneele gewählt hat. Einige Hersteller statten ihre Inverter daher inzwischen mit mehreren MPP-Trackern aus. Damit kann ein Gerät Teile des Generators getrennt betreiben – und insgesamt mehr Leistung rausholen. Das Verschattungsproblem lässt sich genauso gut lösen, indem jedes Modul einen separaten Wechselrichter erhält. Die US-Firma Power One bietet solche sogenannten Mikrowechselrichter seit etwa einem Jahr an und verspricht, damit den Ertrag einer Solaranlage um bis zu einem Viertel zu erhöhen.

Grosse
Unterschiede
Der erzeugte Gleichstrom wird anschliessend in Wechselstrom umgewandelt. Der Wirkungsgrad des Inverters ist das Mass dafür, wie effizient das gelingt. Zwischen den Geräten gibt es grosse Unterschiede: Mässige erreichen heute 95 Prozent, gute über 97 Prozent. Bosch peilt mit seinen Wechselrichtern laut Stratmann bereits die 99-Prozent-Marke an. Mit einem solchen Wert dürfte die Firma bei vielen Kunden punkten, denn der Wirkungsgrad ist für den Ertrag einer Anlage entscheidend. Jeder Prozentpunkt mehr erhöht die Stromausbeute um ein Prozent, so rechnet man bei Bosch. Allerdings treiben auch viele andere Firmen die Entwicklung von Wechselrichtern mit hohen Effizienzen voran. Und dabei sind nicht nur Platzhirsche wie Kaco oder SMA erfolgreich. Die Firma Refusol zum Beispiel präsentierte auf der Solarmesse Intersolar einen Inverter, der 99 Prozent des Gleichstroms in Wechselstrom umwandelt. Refusol setzt statt des bisher gängigen Siliziums Siliziumkarbid als Schaltelement ein. Dadurch verringern sich Schaltverluste und die Effizienz steigt.

Allerdings hilft der beste Wirkungsgrad nichts, wenn der Inverter nicht hunderprozentig mit den Modulen harmoniert. Dafür muss dessen Spannung zu den Zellen passen. Dieser arbeitet nur in einem bestimmten Voltbereich effizient. Liefern die Zellen weniger Spannung als der Wechselrichter mindestens benötigt, fährt er quasi untertourig und erreicht nur einen Teil seiner Leistung. Ist die Spannung dagegen zu hoch, geht er kaputt. Schäden drohen ebenfalls, wenn das Leistungsverhältnis zwischen den beiden Komponenten nicht stimmt „Bei guter Ausrichtung der Anlage sollte deren Leistung ungefähr der Gleichstromleistung des Wechselrichters entsprechen“, rät Elektromeister Lomme. Bringen es die Module also auf fünf kW, muss der Inverter fünf kW Gleichstrom aufnehmen können. In sonnenärmeren Regionen, wo das Solarkraftwerk seltener volle Leistung erreicht, dimensionieren Installateure den Wechselrichter gern auch etwas kleiner. So vermeiden sie, dass dieser zu oft im ineffizienteren Teillastbereich läuft.

Werte, die wichtig sind

Doch auch der beste Handwerker wird eine Solaranlage nie so konfigurieren können, dass der Inverter stets auf seinen Spitzenwirkungsgrad kommt. Dieser beschreibt das Umwandlungsoptimum für eine bestimmte Spannung und Leistung unter Standardtestbedingungen. In der Praxis ist dieser Betriebszustand wegen des schwankenden Sonnenangebots eher selten. Hilfreich ist daher auch der sogenannte europäische Wirkungsgrad, den die Hersteller ebenfalls in ihren Datenblättern ausweisen. Er zeigt an, wie viel Strom der Wechselrichter über alle relevanten Betriebsbedingungen, also auch in Teillast, umwandelt. Nur wenn auch diese gemittelte Effizienz hoch ist – im Idealfall reicht der europäische bis auf einen Prozentpunkt an den maximalen Wirkungsgrad heran – fährt die Anlage stetig gute Erträge ein.

Eigenverbrauch steuern

Effizienzsteigerungen und eine bessere Einbindung der Solaranlagen ins Gesamtsystem werden aber nicht die einzigen Projekte für die Hersteller bleiben. Wechselrichter sollen noch intelligenter werden, sich künftig nicht nur an der Stabilisierung des öffentlichen Stromnetzes beteiligen, sondern darüber hinaus auch den Verbrauch in Haushalten steuern. Noch ist es üblich, den Strom von eigenen Dach für eine Einspeisevergütung ins öffentliche Netz einzuspeisen. Doch mit sinkender Förderung und steigenden Preisen für Haushaltsstrom aus der Steckdose wird es für Anlagenbesitzer immer interessanter, den Solarstrom direkt selbst zu verbrauchen. Inverter koordinieren den Verbrauch: Ist viel Sonnenstrom vorhanden, schmeissen sie automatisch per Signal grosse Stromverbraucher wie Waschmaschinen an. Überschüsse fliessen in Batteriespeicher im Keller, die die Energie zwischenspeichern. Fehlt dem Haushalt Strom, schalten die Wechselrichter auf Netzbezug um.

Die Alleskönner

Grosse Hersteller wie SMA und Kaco entwickeln solche Alleskönner bereits. SMA stellte auf der Intersolar mit seinem Sunny Boy 5000 Smart Energy einen Wechselrichter mit Doppelfunktion vor: Er erzeugt Wechselstrom und kann die Solarenergie dank einer integrierten Lithium-Ionen-Batterie mit zwei Kilowattstunden Kapazität auch speichern. Dadurch lässt sich der Eigenverbrauch im Haushalt laut SMA um bis zu 30 Prozent steigern. Kaco wiederum entwickelt seit Juni gemeinsam mit Samsung Solarakkus, die mit seinen Wechselrichtern gekoppelt werden können.

Auch Bosch drängt als weiterer grosser Spieler auf den Wechselrichtermarkt. Der rapide Preisverfall für Solarmodule trug dem Konzern 2011 eine Abschreibung auf die Sparte Solartechnik in Höhe von über einer halben Milliarde Euro und zudem Verluste von 364 Millionen Euro ein. Inverter sollen Bosch nun aus der Klemme helfen. Das Ziel: Bis 2017 will das Unternehmen weltweit in die Top Drei der Anbieter vorstossen, mindestens zehn Prozent Marktanteil erobern und mit den Geräten einen dreistelligen Millionenbetrag umsetzen. Mit der Übernahme des Hamburger Elektronik-Zulieferers Voltwerk im April startete das Vorhaben. „Bei den Wechselrichtern hatten wir bisher eine Wertschöpfungslücke. Diese Lücke haben wir mit der Voltwerk-Akquise geschlossen, um die Wechselrichter der nächsten Generation zu entwickeln“, erklärt Andreas Stratmann, Geschäftsführer der neugegründeten Bosch Power-Tec.

©Text: Sascha Rentzing

0 Kommentare

Kommentar hinzufügen

Top

Gelesen
|
Kommentiert