Vielfalt bei der Ladeinfrastruktur. Allerdings herrscht weltweit auch Vielfalt, was die Systeme und Steckertypen anbelangt, was nicht gerade zur Vereinfachung beiträgt.

Philipp Walser, Leiter Fachstelle Elektrofahrzeuge beim Verband e’mobile: Er verbreitete auch Optimismus bezüglich der Zukunft der Elektromobilitätsbranche.

Fachtagung: Elektrofahrzeuge und Ladeinfrastruktur

(©TR) Die Elektromobilität liegt zwar im Trend, doch es gibt auch noch viele offene Fragen. Diesen Eindruck gewann man jedenfalls neulich an der Informationsveranstaltung «Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge – Status quo und Ausblick». Dazu eingeladen hatte die Schweizerische Fachstelle für Elektrofahrzeuge des Verbands e’mobile anlässlich der Powertage 2012 in Zürich.


Ausgangslange ist, dass Elektrofahrzeuge doch allmählich den Individualverkehr erobern, wie an der Informationsveranstaltung von allen Seiten her verkündet wurde. Namentlich für Berufspendler bieten sich offenbar mehr denn je neue Möglichkeiten, den Arbeitsweg umweltschonend zu bewältigen. Zur Frage nach den vorherrschenden Bedürfnissen wurde festgehalten, dass diese – vor allem was die Ladeinfrastruktur anbelangt – «ausgesprochen vielfältig» sind. Desgleichen sind die Lösungsansätze. Zwar sind in jedem Haus x Steckdosen vorhanden, doch längst nicht alle eignen sich auch zum Laden von Elektrofahrzeugbatterien. Kommt hinzu, dass alles, was mit der Ladeinfrastruktur zusammenhängt, für viele Leute immer noch Neuland ist. Gewiss, die internationalen Standards und Normen werden derzeit rege diskutiert. Im Gange sind auch all die Anstrengungen, den Harmonisierungsprozess auf technischer Ebene voranzutreiben. Gleichzeitig macht auf politischem Parkett der Meinungsbildungsprozess auch gewisse Fortschritte, wenn zum Teil auch nicht im erhofften Eiltempo. Was den «Stecker» und den «richtigen» Anschluss betrifft aber, haben – so der Tenor der Informationsveranstaltung – noch viele Fragen keine Lösung.

Das Thema geniesst noch zu wenig Beachtung
In der Schweiz herrscht (noch) kein politischer oder wirtschaftlicher Konsens bezüglich Elektromobilität. Obwohl hierzulande schon seit vielen Jahren intensiv an daran gearbeitet wird und einige Firmen und Personen sogar als weltweit führend gelten, erhält das Thema politisch und wirtschaftlich noch zu wenig Beachtung im Vergleich zu anderen Sparten. Wesentliche Standards und Normen in der Elektromobilität befinden sich zwar in Arbeit. Sie werden jedoch kaum vor Ende 2013 fertiggestellt sein. Bis diese Standards im Alltag umgesetzt werden, dürften nochmals Jahre vergehen. «Eine Neuerfindung unserer Zeit sind Elektrofahrzeuge und Ladestationen aber nicht: Schon ums Jahr 1900 lieferte Daimler für seinen 2-sitzigen Mercedes Electrique eine Ladestation für den Gebrauch zu Hause», so Markus Peter (AGVS) in seinem Referat. Dass die Akkupreise bis ins Jahr 2020 noch stark sinken werden, war an der Veranstaltung eine allseits gerne vernommene Prognose.



Mehrheitlich positive Praxiserfahrungen
Michael Funk von den BKW wiederum zweifelt kein bisschen am kräftigen Aufwind, den die Elektrofahrzeuge noch verspüren werden. Er geht davon aus, dass Elektrofahrzeuge bis ins Jahr 2030 in einer Stückzahl von einer halbe Millionen auf die Strasse kommen. Auch Urs Wiederkehr (EKZ) gelang es, die Zuhörer mit seinen mit Elektrofahrzeugen bisher gemachten – mehrheitlich positiven – Praxiserfahrungen für sich gewinnen. Urs Wiederkehr hat schon vielen Elektro-Auto-Anfängern die Zündschlüssel für ein Fahrzeug in die Hand gedrückt. Nur gut, erwiesen sich viele Pannen als Lappalien, die nicht technisch bedingt waren. Der Ärger oder brenzlige Situationen hätte vermieden werden können, hätte man doch nur vor dem Einschalten des Fahrzeugs die Gebrauchsanweisung konsultiert. Oder nicht gleich die Flinte ins Korn geworfen, wenn es mal piepste. Offenbar ist alles auch eine Einstellungssache: Beim Elektroauto muss man sich anfänglich daran gewöhnen, rasch einmal «auf Reserve» zu fahren, wie man es doch schon beim Verbrennungsmotor bei fast leerem Tank erlebte. Aber aufgepasst: Je nach Batteriekapazität variieren die Ladezeiten sehr stark. Bei durchschnittlichen Fahrleistungen von ca. 40 km pro Tag dürften Ladezeiten jedoch zwischen 3 und 4 Stunden täglich ausreichen.

Durchzogene Konformitätsbewertung
Das gleichzeitige Laden einer zunehmenden Anzahl von Fahrzeugen wird in Zukunft zu neuen Netzlastspitzen führen. Es bestehen Konzepte, der Problematik der langen «Ladedauer» von Elektrofahrzeugbatterien mit einem «Batterieaustausch» zu begegnen. Dieser bedingt jedoch einen hohen Grad an Standardisierung. Und genau hier hapert es. Aktuell unterstützen nur einzelne Vierrad-Elektrofahrzeughersteller diese Idee. Ein wirtschaftlicher Erfolg lässt sich indessen nur bei einer entsprechend grossen Anzahl von Fahrzeugen und Wechselstationen erzielen. Auch wenn die Konformitätsbewertung von Ladesystemen von Matthias Huber (Elektrosuisse) etwas durchzogen ausfiel, auch er schaffte es, als Referent im Saal Zuversicht zu verbreiten, was die Langzeitvorhersage anbelangt.

Umdenken beim «Tanken»
Die Fachstelle Elektrofahrzeuge beim Verband e’mobile steht in Kontakt mit Fahrzeuganbietern und Fahrzeugnutzern, Forschung und Entwicklung, Politik, Stromwirtschaft sowie Medienschaffenden, wie Fachstellenleiter Philipp Walser erörterte. Nicht zuletzt der branchenübergreifende Informations- und Beratungsplattform war zu verdanken, dass an der Infoveranstaltung in Zürich wahrscheinlich alle auf ihre Rechnung kamen: Elektrofahrzeuglenker, Immobilienbesitzer oder Immobilienverwalter, Architekten, Elektroinstallateure und -Planer, Vertreter von Energieversorgungsunternehmen, Vertreter des Autogewerbes sowie des Bereichs E-Scooter und E-Bikes. Erkenntnisse, welche sie an der Info-Veranstaltung mit Sicherheit gewonnen haben, sind: Der Umstieg auf Elektrofahrzeuge bedeutet insbesondere ein Umdenken beim «Tanken». Und dass Parkplätze mit Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge dann genutzt werden, wenn diese auch gut zugänglich und verfügbar sind. Ob wohl jeder Planer weiss, dass man Elektrofahrzeug auch direkt bei der Energieabgabestelle parken möchte?

Smileys lachten von der Leinwand herab
Eine Kernfrage ist, ob die Elektromobilität bei der Umverteilung von Parkplätzen (Stellflächen) im stehenden Verkehr genügend Raum bekommt oder nicht? Der Leistungsbedarf im elektrischen Versorgungsnetz könnte schon bald einmal in Gebieten mit weniger stark ausgebautem Stromnetz eine kritische Grösse erreichen. Das erfordert zwingend einen Netzausbau. Grundsätzlich stellt sich auch die Frage: Wo kann oder muss welche Ladeinfrastruktur errichtet werden? Abgesehen davon, dass die steigende Anzahl Elektrofahrzeuge auch die Energieversorgungsunternehmen selbst vor neue Herausforderungen stellt. Offene Fragen hin oder her, am Schluss der Veranstaltung und bei der Zukunftsprognose lachten Smileys von der Leinwand hinab.

Vervielfältigen und veröffentlichen erwünscht…
… heisst es in der Broschüre «Anschluss finden – Elektromobilität und Infrastruktur», herausgegeben von den drei Organisationen Verband e’mobile, Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) und Electrosuisse – Verband für Elektro-, Energie- und Informationstechnik. Will heissen: Publizität und PR sind in der Elektromobilitätsbranche sehr willkommen, um von sich reden zu machen. Dieses Papier, das auch als PDF heruntergeladen werden kann, fasst die wichtigsten Aspekte der Branche aus heutiger Sicht zusammen. Erarbeitet wurde es ausschliesslich von Fachpersonen der für die einzelnen Themen zuständigen Schweizer Verbände und Organisationen.

Folien zu den Referaten >>

Broschüre «Anschluss finden – Elektromobilität und Infrastruktur» >>

©Text: Toni Rütti, Redaktor ee-news.ch

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