Gäbe es das EEG nicht, würde der Netzbetreiber für Solarstrom sicher nicht den Steckdosenpreis bezahlen, sondern der Preis würde sich eher am Grosshandelspreis orientieren. ©Bild: Juwi

Grid Parity: Noch kein Selbstläufer

(©SR) Obwohl Sonnenstrom in einigen Ländern bereits weniger kostet als Haushaltsstrom und damit die lang erwartete Grid Parity erreicht ist, bleibt der erhoffte Boom der Photovoltaik aus. Die Solarindustrie ist daher weiterhin auf rasche kostensenkende Innovationen angewiesen.


Die Solarindustrie erreicht ein wichtiges Etappenziel. Die Erzeugungskosten für Sonnenstrom fallen in vielen Ländern Europas erstmals unter das Niveau der Verbraucher-Strompreise. Dank besserer Produktionen und Materialersparnissen kosten Solaranlagen mit durchschnittlich 2000 Euro pro Kilowatt (kW) nur noch halb so viel wie 2009. Nach gängiger Strompreisformel können diese Systeme die Kilowattstunde (kWh) selbst in Ländern mit nur mässiger Einstrahlung wie Deutschland bereits für weniger als 0,20 Euro herstellen. Zum Vergleich: Für normalen Haushaltsstrom zahlen private Endkunden hierzulande im Schnitt 0,21 Euro.

Glauben an drastisch steigende Nachfrage

Eigentlich müsste der Solarzubau nun rapide in die Höhe schnellen. Die Industrie hatte stets in Aussicht gestellt: Sobald Sonnenstrom vom eigenen Dach billiger ist als Strom aus der Steckdose, also die sogenannte Grid Parity erreicht ist, boomt die PV auch ohne staatliche Fördergelder. Dennoch läuft der Absatz von Solarmodulen alles andere als reibungslos. Im Glauben an eine drastisch steigende Nachfrage hat die Solarindustrie nach Angaben der Schweizer Bank Sarasin ihre Produktionskapazitäten 2011 auf weltweit insgesamt 50000 Megawatt (MW) pro Jahr verdoppelt, tatsächlich absetzen konnte sie aber nur etwa die halbe Leistung. In Spanien zum Beispiel ist der PV-Markt nach einem Rekordjahr 2008 mit 2700 MW Zubau zusammengebrochen. Voriges Jahr gingen der Schweizer Bank Sarasin zufolge auf der iberischen Halbinsel nur noch 500 MW PV-Leistung ans Netz. Dabei liegen die Solarstrom-Gestehungskosten dort dank der hohen Einstrahlung vielerorts unter dem Haushaltsstrompreis von im Schnitt 0,16 Euro pro kWh.

Anders als in Spanien sehen die letztjährigen Zubauzahlen in Deutschland blendend aus. Laut Bundesnetzagentur wurde hier 2011 mit 7500 MW so viel Solarleistung neu installiert wie noch nie. Doch die Aussichten sind eher mässig: „Wir erwarten 2012 einen Rückgang um etwa ein Viertel auf 5,4 MW“, sagt Sarasin-Analyst Matthias Fawer. Für die schwache Marktlage gibt es nur eine plausible Erklärung: In Europa kürzen viele Länder mit Einspeisevergütung für Solarstrom drastisch die Förderung, weil der starke PV-Zubau ausser Kontrolle geriet. In Deutschland sollen die Zuschüsse bis zum 1. Januar 2013 um mindestens 24 Prozent gesenkt werden.

Kein Geschäft ohne Förderung

Von förderunabhängigen, natürlichen PV-Märkten kann also in Europa noch keine Rede sein. Das Erreichen der Preisparität des Endverbraucherstroms bedeutet keineswegs, dass ich mich sofort in einen Investment Case stürze“, sagt der Analyst Stefan de Haan vom US-Marktforscher iSuppli. Vor allem stelle sich die Frage: Warum jetzt sofort bauen? „Die Preise fallen noch. Eine Investition ohne eine garantierte Einspeisevergütung ist noch lange nicht wirtschaftlich.“

„Das einfache Vergleichen der Stromgestehungskosten mit den Endkundenstrompreisen greift zu kurz“, sagt auch der Analyst Götz Fischbeck. Betriebswirtschaftlich sauber gerechnet wäre die Netzparität erst dann erreicht, wenn der Solarstrom den Steckdosenstrom jederzeit ersetzen kann. Das ist aber nicht der Fall, da die Sonne nicht immer scheint. Für eine autarke Stromversorgung müsste zum Beispiel in grosse saisonale Speicher investiert werden, was den Sonnenstrom aber verteuert und den Zeitpunkt der Kostengleichheit in die Zukunft verschiebt.

Grosshandelspreis
etwa 0,05 bis 0,06 Euro pro kWh
Derzeit decken PV-Anlagenbesitzer ihren Bedarf bei trübem Wetter oder nachts auch weiterhin aus dem öffentlichen Netz. Weil sie den Solarstrom nicht durchweg genau in der Leistung verbrauchen, wie der Sonnenschein ihn gerade erzeugt, speisen sie die überschüssige Energie ohne Speicher ins Netz ein. Aus rechtlichen Gründen kann ihnen der Netzbetreiber die Einspeisung nicht verwehren, aber gäbe es das EEG nicht, würde er für Solarstrom sicher nicht den Steckdosenpreis bezahlen, sondern der Preis würde sich eher am Grosshandelspreis orientieren. Das wären derzeit nicht mehr als etwa 0,05 bis 0,06 Euro pro kWh. „Da verzichtet niemand auf die EEG-Vergütung“, sagt Fischbeck.

So weit ist es seiner Meinung nach erst, wenn der Solarstrom in der Erzeugung nicht mehr teurer ist als konventioneller Strom. Bis zum Erreichen dieses Ziels ist es noch ein Stück, denn dafür müssen die Kosten auf das Niveau von Kohle- und Gasstrom auf etwa 0,08 Euro sinken. Doch bietet die PV noch grosses Entwicklungspotenzial, was auf weitere rasche Kostenersparnisse hoffen lässt. So steuert der Preis für den Halbleiter Silizium laut dem Analysten Simon Jäger von der Dekabank dank neuer Fabriken auf ein neues Rekordtief auf 20 Dollar je Kilogramm zu.

Teure Speicher

Gleichzeitig arbeiten die Maschinen- und Anlagenbauer an effizienterem Fertigungsequipment. Nach jüngsten Erhebung des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) sind die deutschen Ausrüster trotz Krise finanzstark genug, um Innovationen weiterhin mit hohem Einsatz voranzutreiben. Im Vergleich zum Vorjahresquartal konnten sie im 3. Quartal 2011 ein Umsatzplus von knapp zehn Prozent erzielen – eine gute Basis für weitere Investitionen.

Die Fortschritte der Maschinenbauer helfen wiederum den Herstellern, effizientere Zellen und Module zu bauen. Forscher erwarten, dass sich der Zellenwirkungsgrad von heute durchschnittlich 16 Prozent auf mehr als 20 Prozent steigern lässt. Durch höhere Effizienzen sinken der Materialbedarf und damit die Kosten. Das ostdeutsche Unternehmen Q-Cells zum Beispiel nutzt seit jeher Hightech und Know-how der Zulieferer. So auch für seine neuesten Zellen, deren Rückseite mit einer speziellen Schutzschicht versehen ist, die Reflexionen und Ladungsträgerverluste reduziert. Dadurch steigt der Wirkungsgrad in der Pilotproduktion auf 19,5 Prozent, bezogen auf das Modul auf 18 Prozent. Schott Solar geht noch einen Schritt weiter und erprobt die gleichen Zellen aus sogenanntem Quasimono-Silizium. Dieser neue Halbleiter wird wie einfaches multikristallines Silizium in Schmelztiegeln hergestellt, hat aber die Eigenschaften des höherwertigen monokristallinen Materials. „Wir erhoffen uns damit einen deutlichen Effizienzgewinn bei nahezu gleichbleibenden Produktionskosten. Solarzellen mit nahezu 20 Prozent Effizienz wurden bereits nachgewiesen“, sagt Schott Solar-Entwicklungschef Klaus Wangemann.

Systemkosten im Fokus

Schliesslich können durch technische Fortschritte und den Ausbau der Massenfertigung laut der Bostoner GTM Research auch die Kosten für Komponenten wie Wechselrichter, Trägersysteme oder Verkabelung bis 2013 um 20 Prozent fallen. „Bei kleinen Wechselrichtern scheint der Weg schon in Richtung Massenprodukt zu gehen, vor allem, da sich in diesem Segment asiatische Hersteller positionieren“, sagt Eckhard Wolf, Director Business Line Management beim Wechselrichterhersteller AEG Power Solutions. Der Verband der europäischen PV-Industrie EPIA bestätigt diese Einschätzung. Er schätzt, dass die Kosten bei den Invertern in den kommenden Jahren um 20 Prozent pro Jahr sinken werden.

Preisdruck bei Gestellen

Auch bei den Gestellen wächst der Preisdruck. Der GTM Research-Analyst Manhal Aboudi hat bereits einen Konzentrationsprozess ausgemacht: „Bisher sieht der Markt so aus, dass es viele kleine Hersteller gibt und jeder seine eigene Lösung anbietet. Das wird sich ändern. Grossekonzerne wie Sapa, Gestamp, Hilti und Cooper B-Line positionieren sich, um den den Weltmarkt zu beliefern.“ Durch den Einstieg der grossen Aluminiumproduzenten und Profilhersteller seien auch bei den Unterkonstruktionen Skaleneffekte zu erwarten.

Die Installateure müssen ebenfalls ihre Produktivität erhöhen. Was ihnen allerdings in die Hände spielt, ist die Wirkungsgradsteigerung. Je höher die Modulleistung, desto grösser ist die Leistung, die ein Monteur auf das Dach bringt. Wenn die Industrie das Kostensenkungspotenzial auf allen Wertschöpfungsstufen konsequent nutzt, könnte die Flaute bald überwunden und die Sache mit Grid Parity vergessen sein.

©Text: Sascha Rentzing

0 Kommentare

Kommentar hinzufügen

Top

Gelesen
|
Kommentiert