Otto Ineichen: "Wir von der Energieallianz plädieren für einmalige Investitionsbeiträge für Kleinanlangen, zum Beispiel auf Einfamilienhäusern, statt diese jahrzehntelang in der KEV zu 'verwalten'."

Otto Ineichen: Beschleunigte Förderung baureifer PV-Anlagen

(©ee-news.ch) Fast 14‘000 Photovoltaikanlagen waren Ende 2011 auf der KEV-Warteliste blockiert. Ende Dezember hat Otto Ineichen, FDP-Nationalrat, eine Interpellation eingereicht, die darauf abzielt, kleine Photovoltaikanlagen mit einmaligen Investitionsbeiträgen statt mit jährlich wiederkehrenden Betriebsbeiträgen zu fördern. Ein Gespräch.


Die Interpellation „Beschleunigte Förderung baureifer PV-Anlagen – Abbau von Hindernissen und Systemoptimierungen KEV (Kostendeckenden Einspeisevergütung)“ hat folgenden Wortlaut:
Aktuell befinden sich knapp 14'000 baureife Photovoltaik-Projekte mit einer projektierten Produktion in der KEV-Warteschlange. Die KEV-Warteschlange wächst kontinuierlich an: Allein in diesem Jahr kamen rund 8'000 neue Gesuche auf KEV-Anmeldungen hinzu.

Der von mir präsidierte Verein Energieallianz hat im Sommer 2011 im Kanton Luzern, insbesondere im luzernischen Surental, über 100 grundsätzlich interessierte Solar-Stromerzeuger beraten. Die Tatsache, dass über Jahre hinaus nicht mit einer KEV gerechnet werden kann, führt dazu, dass viele Interessierte auf eine Photovoltaik-Anlage verzichten.

Weitere Blockaden: Die Vergütung des produzierten Stroms durch die abnehmenden Elektrizitätsversorgungsunternehmen EVU ist vielerorts unzureichend, teilweise müssen massive Mehrkosten bei der Inbetriebnahme der Anlage in Kauf genommen werden (Ausbau von Leitungen, Einbau von Zählern), die steuerliche Behandlung von Investitionen für Solarstromanlagen ist von Kanton zu Kanton verschieden und die Bürokratie ist gerade für kleinere Solarstromerzeuger nicht selten eine grosse Belastung.

  1. Ist der Bundesrat gewillt, die Motion von Nationalrätin Häberli-Koller „Baureife KEV-Projekte fördern“ (Vorstoss-Nr. 11.3331) schneller als bisher geplant rückwirkend per 1.1.2012 und nicht erst per 2013 – umzusetzen?
  2. Teilt der Bundesrat die Meinung, dass der Bau einer Solarstromanlage nicht zu einem höheren Katasterwert einer Liegenschaft führen darf, sondern viel mehr wie eine Ersatzinvestition zu betrachten ist? Dies insbesondere solange, als die Solaranlagenbetreiber keine KEV erhalten und / oder die Investitionskosten steuerlich nicht abzugsberechtigt sind.
  3. Ist der Bundesrat bereit, die Rechtsgrundlagen derart anzupassen, dass die abnehmenden Elektrizitätsversorgungsunternehmen EVU verpflichtet werden, den Solarstromerzeugern in etwa den gleichen Preis pro kWh zu bezahlen, wie der Stromerzeuger selbst ausrichten muss, wenn er vom gleichen EVU Strom bezieht? Ist er der Ansicht, dass allfällige Anschlusskosten sowie der Einbau zusätzlicher Stromzähler beim Betrieb einer PV-Anlage vom EVU zu tragen sind?
  4. Hat der Bundesrat die Möglichkeit, schweizweit dafür zu sorgen, dass kleinere Solarstromanlagen nicht mehr bewilligungspflichtig sind?
  5. Ist der Bundesrat bereit, die KEV-Zahlungsperiode zu Gunsten höherer jährlicher Leistungen zu verkürzen und damit die Bürokratie abzubauen (weniger lange Bewirtschaftung von Tausenden von Dossiers)?
  6. Wie beurteilt der Bundesrat den Vorschlag, für kleinere Solarstromanlagen einmalige Investitionsbeiträge anstelle mehrjähriger KEV-Beiträge auszurichten? Gewünschter Effekt: Anschubfinanzierung löst sofort Investitionen aus und die zahlreichen Dossiers müssen nicht über Jahrzehnte verwaltet werden. Swissgrid wird entlastet.“

Ein Gespräch mit Otto Ineichen über die Hintergründe der Interpellation.

Herr Ineichen, warum möchten Sie die KEV, die erst vor zwei Jahren eingeführt wurde, anpassen?
Otto Ineichen: Wenn die KEV-Warteschlange zügig abgebaut wird, leisten wir damit einen substanziellen Beitrag zum erfolgreichen Energieumbau Schweiz. Viele Gebäudebesitzerinnen und Gebäudebesitzer, insbesondere auch viele Bauernbetriebe mit super geeigneten Dächern, möchten vorwärts machen. Dieser Schwung soll nicht durch jahrelange Wartezeiten gebremst werden.

Viele Anlagebesitzer sind enttäuscht, dass sie ihren Strom zu Schleuderpreisen an die Energieversorg
ungsunternehmen (EVU) abgeben müssen. Wie sieht ihr Lösungsansatz aus?
Ich bin der Meinung, dass die EVU den Strom der Solarstromproduzenten angemessene vergüten müssen.. Es ist nicht verständlich, weshalb die Photovoltaik-Anlagenbesitzer den Strom billig an die EVU abgeben und dann wieder zu einem viel höheren Preis zurückkaufen müssen. Die EVU stellen zwar die Infrastruktur, sprich die Leitungen, zur Verfügung, aber die Kosten hierfür werden eh schon über die „normalen“ Strompreise abgegolten. Bei der Produktion des „grünen“ Stroms der Photovoltaik-Anlagenbesitzer erwachsen den EVU keine zusätzlichen Kosten.

Welchen Handlungsbedarf sehen Sie bei den Steuern?

Gerade im Bereich Photovoltaik gibt es steuerliche Hemmnisse abbauen. So müsste zum Beispiel die Erhöhung des Katasterwerts abgeschafft werden. Es ist störend, dass das eine Departement in einem Kanton ökologische Investitionen fördert, und das andere Departement im gleichen Kanton die gleichen Investoren wieder zur Kasse bittet. Uns von der Energieallianz werden laufend solche Vorfälle zur Kenntnis gebracht. Bürger innen und Bürger fühlen sich verschaukelt. Und wir brauchen eine Gleichbehandlung der steuerlichen Abzugsmöglichkeiten für Investitionen in Photovoltaik in allen Kantonen.

Sehen Sie bei allen Anlagen Handlungsbedarf?

Besonders dringend der Handlungsbedarf für Kleinanlagen. Sie müssten nach dem Vorbild des Kantons Luzern von der Baubewilligungspflicht befreit werden. Wir von der Energieallianz plädieren für einmalige Investitionsbeiträge für Kleinanlangen, zum Beispiel auf Einfamilienhäusern, statt diese jahrzehntelang in der KEV zu „verwalten“. Damit könnte viel Bürokratie abgebaut werden. Investitionsbeiträge machen gerade für potenzielle Kleinanlagen-Besitzer Sinn: Der Zustupf kommt zur rechten Zeit, nämlich dann, wenn sie das Geld für die Anlage in die Finger nehmen müssen. Der oder die Private plant in der Regel nicht über 25 Jahre. Solche Beiträge machen zudem nicht nur umwelt-, sondern auch wirtschaftspolitisch Sinn. Man geht davon aus, dass jeder Investitionsbeitrag in etwa das siebenfache an Investitionen auslöst. Das schafft Wertschöpfung. Und die Rechnung ist schnell gemacht: Das Geld für die Investitionsbeiträge fliesst sehr rasch über die Mehrwertsteuer, aber auch über die Einkommens- und Gewinnsteuern wieder in die Kasse der öffentlichen Hand zurück.

Die Investitionsbeiträge sollen also in erster Linie
Einfamilienhausbesitzern zu Gute kommen?
Besitzern von Einfamilienhäusern, kleinen Mehrfamilienhäusern und kleineren Gewerbebetrieben, zu denen ich auch die Bauernbetriebe zähle. Einmalige Investitionsbeiträge machen insbesondere auch bei Neubauten sehr viel Sinn.Es gibt Quellen, die davon ausgehen, dass im letzten Jahr nur bei 4 Prozent der Neubauten Photovoltaik-Anlagen installiert wurden. Mit Sicherheit kann aber davon ausgegangen werden, dass der Photovoltaik-Anteil bei Neubauten im einstelligen Prozentbereich liegt. Und das ist fast in jedem Falle eine verpasste Chance. Der Hauptgrund sind die die blockierten KEV-Gelder. Dabei wäre der Einbau einer Photovoltaik-Anlage nie so günstig wie bei einem Neubau. Aber die Bauherrenschaft ist bei einem Neubau natürlich sowieso finanziell belastet. Deshalb sollten gerade bei Neubauten ab sofort Investitionsbeiträge gewährt werden.

Wenn einmalige Investitionsbeiträge bezahlt werden, besteht dann nicht die Gefahr, dass die Anlagen nicht gut gewartet werden?

Der Ansatz, einmalige Investitionsbeiträge gegen mehrjährige Beitragsausrichtung und Pflege der Anlagen auszuspielen, ist kurzsichtig. Gegner von einmaligen Investitionsbeiträgen argumentieren, dass der Wille, die Anlage maximal zu betreiben, nicht mehr so gross ist wie bei einer jährlich wiederkehrenden Beitragsausrichtung über eine lange Zeit. Dieses Argument scheint uns ziemlich illusorisch. Auch beim heutigen KEV-System ist es unwahrscheinlich, dass die Besitzer von Photovoltaik-Anlagen wöchentlich aufs Dach steigen, um die Solarmodule zu reinigen. Soviel macht denn der KEV-Beitrag auch nicht aus. Mit der Abgeltung angemessener Tarife durch die EVU hingegen wäre der Anreiz einer möglichst maximalen Stromproduktion automatisch auch gegeben dies ohne aufwändiges, bürokratisches System, einem Subventions-Moloch.

Ist die KEV für Sie also hinfällig?

Nein, ganz und gar nicht. An der Finanzierung der KEV, die erneuerbaren Strom pro Kilowattstunde vergütet,soll zumindest kurz- und mittelfristig, grundsätzlich nichts geändert werden. Statt jährlicher Beiträge sollen den Kleinanlagenbesitzern, insbesondere auch bei Neubauten, einfach neu Investitionsbeiträge ausgerichtet werden. Durch die vorgeschlagene höhere Abgeltung des „grünen“ Stroms an die Kleinanlagenbesitzer durch die EVU wird zudem die öffentliche Hand bzw. die KEV entlastet: Die heutige Quersubventionierung der öffentliche Hand an EVU wird beseitigt.

©Interview: Anita Niederhäusern, ee-news.ch

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3 Kommentare

Chr. Burri

Ich baue den ersten, rein aus erneuerbaren Energien gespiesenen Internet-Provider (ISP) der Schweiz auf und begrüsse Herr Ineichens Interpellation. Die KEV ist ein Instrument, das dazu dient, den Einfluss der Energiekonzerne zu sichern. Die Zukunft liegt in dezentralen Anlagen, und die Multis wissen, dass sie in einer dezentral organisierten Energiewirtschaft keine Daseinsberechtigung mehr haben werden. Es geht nicht ums Geld, sondern um Einfluss. Geld ist bloss eine Funktion von Macht!

Solarfan

Ich finde den Ansatz von Otto Ineichen gut. Kleine Stromproduzenten bauen eine Anlage nicht wegen dem Gewinn, sondern weil sie ihren Stromverbrauch selber produzieren und etwas für die Umwelt tun wollen. Wichtig ist nun, dass die örtlichen Netzbetreiber nicht mit bürokratischen Hürden den Bau erschweren und einen fairen Preis bezahlen. Das EKZ macht es vor: Bis zu einer Anlagengrösse von 20 kWp kann ein Stromproduzent den produzierten Strom selber verbrauchen und den Ueberschuss zu einem Preis von 20 Rp/KWh im Hochtarif und 11 Rp/KWh im Niedertarif ins Netz einspeisen und das Netz als Speicher gebrauchen. Diesr Tarif entspricht etwa dem Bezügerpreis. Mit einer Anschubfinanzierung von Fr. 1500.- pro kWp, wie sie der Kanton Zürich im Jahr 2009 praktizierte, würden auf diese Weise viele Kleinanlage realisiert. Der Spatz ind der Hand ist eben besser als die Taube auf dem Dach.

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