Im Südwesten der USA herrschen Top-Bedingungen für die PV. Bei niedrigen Modulpreisen investieren Energieversorger derzeit kräftig in die Technik. Bild: US Air Force

Solartürme sollen der Photovoltaik die Stirn bieten. Sie arbeiten effizienter und weisen höheres Kostensenkungspotenzial auf als die bisher gängigen Parabolrinnen. Bild: DRL

Parabolrinnen-Kraftwerke wie dieses im spanischen Andasol werden künftig wohl seltener gebaut. Photovoltaikanlagen sollen ihren Platz einnehmen. Bild: Schott Solar

Solarthermie: Im Schatten der Photovoltaik

(©SR) Weil Solarmodule rapide billiger werden, verdrängen grosse Freilandanlagen Sonnenwärmekraftwerke aus dem Markt. Für die Energiewende ist die Grundlast liefernde Solarthermie jedoch unverzichtbar.


Für Solar Millennium kommt es derzeit knüppeldick. Noch immer streitet sich der Solarkraftwerksbauer mit seinem ehemaligen Promichef Utz Claassen über eine Abfindung. Zudem ermittelt die Bafin wegen des Vedachts auf Insiderhandel, und der Abgang des Finanzvorstands im August warf ebenfalls kein gutes Licht auf das Erlanger Unternehmen.

Parabolrinnen-Kraftwerk in Kalifornien
Und jetzt auch noch das: Das grösste Vorzeigeprojekt von Solar Millennium, ein Parabolrinnen-Kraftwerk mit 1000 Megawatt (MW) Leistung im kalifornischen Blythe, wird in seiner bisher geplanten Form nicht gebaut. Anstelle sogenannter Concentrated Solar Power (CSP)-Technik, die Sonnenwärme über Absorber als primäre Energiequelle nutzt, sollen nun Photovoltaik (PV)-Module zum Einsatz kommen. „Wir starten in Blythe zunächst mit 500 Megawatt PV-Leistung“, erklärt Solar Millennium-Chef Christoph Wolff.

Der Schwenk kommt überraschend, denn Solar Millenniums Solarthermie-Geschäft schien blendend zu laufen. Wolf spricht von Solarwärmekraftwerken mit insgesamt 3‘500 bis 4‘000 MW Leistung, die Energieversorger in Afrika, Asien und den USA bei seinem Unternehmen in die Auswahl genommen haben. Erst Ende September startete mit Andasol 3 in Spanien der dritte Block des weltgrössten Parabolrinnen-Kraftwerks mit 150 MW Gesamtleistung – entwickelt und gebaut von Solar Millennium.

PV-Preise sinken wegen hartem Wettbewerb
„Die Bedingungen haben sich geändert“, sagt Wolff. Die Vermarktung von PV-Strom lohne in den USA inzwischen mehr als anfangs kalkuliert. Fakt ist: Die PV-Preise sinken wegen des harten Wettbewerbs auf dem PV-Markt rapide und liegen mittlerweile unter denen der Solarthermie, die bisher als die kostengünstigere Technik galt. Laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg produzieren Solarwärmekraftwerke Strom derzeit zu durchschnittlichen Stromgestehungskosten von etwa 0,19 Euro pro Kilowattstunde (kWh), grosse PV-Freilandanlagen schaffen das in sonnenreichen Regionen bereits für 0,16 Euro pro kWh.

Billiger Spitzenlaststrom
Die PV könnte ihren Kostenvorsprung in den kommenden Jahren noch vergrössern. Das ISE schätzt, dass PV-Systeme dank Skaleneffekten durch steigende Produktionsmengen und Innovationen jährlich um 15 bis 20 Prozent günstiger werden. Dadurch sänken die Erzeugungskosten grosser PV-Anlagen an Standorten mit einer hohen Einstrahlung von 2000 Kilowattstunden (kWh) pro Quadratmeter bis 2020 auf 0,072 Euro pro kWh. Damit wäre PV-Strom günstiger als konventionell erzeugter, der Schätzungen zufolge 2020 für 0,08 Euro pro kWh erzeugt wird. Die Solarthermie hingegen soll erst zehn Jahre nach der PV im Jahr 2030 die Wettbewerbsfähigkeit erreichen. 2020 werden ihre Kosten laut ISE noch bei 0,12 Euro pro kWh liegen, also vier Cent über konventionellem und fünf Cent über PV-Strom.

Kein Masseneffekt
Das grösste Problem der Solarthermie ist, dass sie bisher nicht von Masseneffekten profitiert wie die PV. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zählt derzeit weltweit nur knapp 2‘000 MW installierte CSP-Leistung – im Vergleich zu rund 40‘000 MW PV-Installationen. Die fehlenden Grössenkostenvorteile sind ein wesentlicher Grund dafür, dass Solarwärmekraftwerke in der Anschaffung noch deutlich teurer sind als große PV-Anlagen. Nach Berechnungen des ISE kostete eine Freilandanlage mit mindestens 200 kW Leistung voriges Jahr 2450 Euro pro kW, eine 50-MW-Parabolrinne mit Speicher dagegen 6000 Euro pro kW.

Keine Grundlast sondern Peak
Der steigende Bedarf an mittäglichem Spitzenlaststrom in den USA verschärft die Lage für die Solarthermie. Das Land braucht keine weiteren Kapazitäten bei der Grundlast, wie sie Solarwärmekraftwerke liefern, sondern viel Peak, um an heissen Sommertagen genug elektrische Energie in seine unzähligen Klimaanlagen pumpen zu können. In Kalifornien würden wegen der wachsenden Nachfrage nach Spitzenlaststrom bereits Höchstpreise von bis zu einem Dollar (rund 0,70 Euro) pro kWh gezahlt, erklärt Wolff. PV könne diesen Bedarf günstiger abdecken.

US-Energieversorger investieren daher mittlerweile kräftig in Solarmodule. Innerhalb von nur zwei Monaten, vom vorigen Juli bis September, stieg die Zahl der geplanten gewerblichen PV-Anlagen in den USA nach Informationen der Recherche-Agentur Solarbuzz von 17‘000 auf 24‘000 MW. „Es ist eine deutliche Belebung unseres Projektgeschäfts zu spüren“, bestätigt Stephan Hansen, Deutschlandchef des US-Dünnschichtspezialisten First Solar. Mit einer Projekt-Pipeline von 4‘500 MW ist First Solar derzeit der gefragteste PV-Projektierer in den USA.

Kein Platz für Solarthermie
Für die Solarthermie hingegen dürfte in Kalifornien und Co. kaum Platz bleiben. Auch Solar Millennium erwägt offenbar, mit seinen verbleibenden Projekten im Amargosa-Tal (Nevada), Blythe, Palen und Ridgecrest (alle Kalifornien) mit 2‘000 MW Gesamtleistung auf die begehrtere PV umzuschwenken. „Wir müssen das prüfen“, sagt Wolff.

Sprünge bei der Speichertechnik
Sind die Schwierigkeiten in den USA die Vorboten einer globalen Krise der Solarthermie? Die Branche sieht dafür keine Anzeichen. „In allen unseren anderen Märkten in Afrika, Indien und dem Nahen Osten werden die Vorteile netzstabilisierender solarthermischer Kraftwerke erkannt“, betont Wolff. Dort bleibe es bei den bisherigen Planungen von 1‘500 bis 2‘000 MW solarthermischer Leistung. Auch Robert Pitz-Paal, Co-Direktor des Instituts für Solarforschung im DLR, glaubt weiter an einen globalen Erfolg der Solarthermie. „Wenn wir hohe Anteile erneuerbarer Energien in den Stromnetzen erreichen wollen, brauchen wir die Technik“, so seine Einschätzung. Bisher ist das Hauptproblem von PV- und Windenergieanlagen, dass die Energieerzeugung wetterbedingt schwankt und sich der produzierte Strom kaum zwischenspeichern lässt. Ihr Output ist dadurch immer noch recht unregelmässig. Nicht so bei CSP: Die neuesten Kraftwerke sind in der Lage, überschüssige Wärme mittags in flüssigem Salz in grossen Tanks zu speichern und damit nach Bedarf Strom zu erzeugen – bei Andasol ist das bis zu acht Stunden lang möglich. So kann die Solarthermie helfen, Versorgungslücken bei der PV- und Windstromerzeugung zu schließen.

Im Prinzip arbeiten alle drei gängigen CSP-Typen, die Parabolrinne, der Solarturm sowie die Fresnelanlage, wie ein konventionelles Kraftwerk. Nur wird Wärme nicht durch Verbrennung von Kohle oder Gas erzeugt, sondern allein mit der Kraft der Sonne. Licht wird über grosse Spiegelflächen auf einen Absorber konzentriert. Ein Wärmeträger aus Öl, Salz oder Wasser nimmt die thermische Energie auf und leitet sie über Wärmetauscher auf einen Wasserkreislauf. Dabei entsteht Dampf, der in einem herkömmlichen Kraftwerksblock mit Turbine und Generator sauberen Strom erzeugt.

Zu Unrecht im Schatten der PV
In den kommenden Monaten bietet sich der Solarthermie die einmalige Gelegenheit zu beweisen, dass sie zu Unrecht in den Schatten der PV geraten ist. Nach Andasol 3 gehen in Spanien bis Jahresende noch zwei weitere Solarwärmekraftwerke ans Netz, die als Blaupause für künftige CSP-Projekte gelten. Im Oktober nimmt die spanische Firma Torresol bei Cordoba das erste kommerzielle Solarturmkraftwerk mit Salzspeicher in Betrieb. Die Sonnenstrahlung wird durch ein Feld aus hunderten Spiegeln auf einen Röhrenabsorber in 150 Meter Höhe am oberen Ende eines Turms gebündelt. Darin zirkulierendes Salz erhitzt sich und erzeugt bis zu 450 Grad heissen Dampf. Ende 2011 geht bei Murcia schliesslich das erste Fresnel-Kraftwerk der Karlsruher Firma Novatec mit 30 MW Leistung ans Netz. Bei dieser Technik sammeln bodennahe Spiegel Strahlung ein und bündeln sie auf ein hochgelegtes Absorberrohr, in dem direkt Wasser verdampft.

Halbe Kosten in zehn Jahren?
Die Industrie verbindet grosse Hoffnung mit den beiden neuen CSP-Techniken. „Damit lassen sich die Kosten innerhalb der kommenden zehn Jahre um 50 Prozent reduzieren“, sagt Pitz-Paal. Das würde bedeuten, dass die Solarthermie schon deutlich früher mit Kohle und Gas konkurrieren könne, als von ISE angenommen. Im Receiver des Solarturms beispielsweise entstehen durch starke Konzentration der Sonnenstrahlung Temperaturen von bis zu 1000 Grad Celsius. Dadurch steigt die Effizienz gegenüber den marktgängigen Parabolrinnen, die maximal 500 Grad erreichen, um zehn Prozentpunkte auf 25 Prozent. Aber auch die Rinnentechnik böte noch Entwicklungspotenzial, sagt Solar-Millennium-Chef Wolff. Die Ansatzpunkte sind bekannt: möglichst hohe Automatisierung in der Fertigung, geringe Betriebskosten, verbesserte Materialien und Komponenten sowie Skaleneffekte durch steigende Installationszahlen.

CSP-Boom
Ein Erfolg der ersten kommerziellen Projekte in Spanien könnte einen regelrechten CSP-Boom auslösen. 35‘000 MW sind laut DLR zu diesem Zeitpunkt weltweit in Planung, selbst in den USA verfolgen Projektierer noch grosse Ziele. Solar Reserve aus Los Angeles zum Beispiel will in Nevada 2013 einen Solarturm ans Netz bringen, der mit 110 MW Leistung doppelt so gross sein soll wie ein Andasol-Block. In Afrika und im Nahen Osten stehen CSP-Entwickler ebenfalls in den Startlöchern. In Kuraymat hat Solar Millennium im Juli die erste solarthermische Anlage Ägyptens fertiggestellt, die als Hybridlösung Sonnenkraft mit Erdgas kombiniert. Auch GE Energy stösst mit seinem neuen Hybridkraftwerk „FlexEfficiency 50“ nach eigenen Angaben auf grosse Nachfrage. Das Gas- und Dampfturbinen (GuD)-Kraftwerk mit 53 MW Leistung ist kombiniert mit einem Solarturm, den die US-Firma eSolar entwickelt hat. Dank Solartechnik steigt der Wirkungsgrad des Kraftwerks gegenüber derzeit gängigen GuD-Anlagen um sieben Prozentpunkte auf 65 Prozent. Die PV hat das Rennen gegen die Solarthermie noch längst nicht für sich entschieden.

©Text: Sascha Rentzing

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1 Kommentare

Bernd Burchert

Super Stück!

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