Erste Ergebnisse der Sicherheitsüberprüfung der Schweizer AKW nach Fukushima

(PM) Die erste Überprüfung der Schweizer Kernkraftwerke aufgrund der Erkenntnisse aus Fukushima hat Schwachstellen im Bereich der Lagerung der Brennelemente zu Tage gefördert. Eine unmittelbare Gefahr für die Bevölkerung besteht aber nicht, weshalb auch keines der Schweizer Kernkraftwerke kurzfristig ausser Betrieb genommen werden muss. Die Kraftwerke müssen bis 31. August darlegen, wie sie die Mängel beheben werden.


Der Unfallablauf in Fukushima ist technisch gut nachvollziehbar. Unerwartete Phänomene traten nicht auf. In der Schweiz ist die Gefährdung durch Naturereignisse in den letzten Jahren nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen neu beurteilt worden. Sie liegt im weltweiten Vergleich auf einem niedrigen bis mittleren Niveau. Extremereignisse, die mit der Situation von Fukushima vergleichbar sind, treten in der Schweiz sehr selten auf. Die Sicherheit der Kernkraftwerke in der Schweiz wird deshalb durch die neuen Erkenntnisse aus Japan nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Fukushima bringt aber wichtige neue Hinweise zur weiteren Verbesserung der Sicherheit der Schweizer Nuklearanlagen.

Überprüfungen der Schweizer Kernkraftwerke dauern an
Nach bedeutenden Ereignissen, die auf der internationalen Störfall-Bewertungsskala INES der Stufe 2 oder höher zugeordnet sind, muss die Sicherheit aller Kernkraftwerke neu überprüft werden, insbesondere in Bezug auf die Ausserbetriebnahmekriterien. Auch muss untersucht werden, welche Lehren für die Schweiz gezogen werden müssen. Dabei wird abgeklärt, ob kurz- oder mittelfristige Massnahmen in der Schweiz zu treffen sind. Das Vorgehen ist dreistufig, wobei drei Hauptfragen zu beantworten sind: Droht eine unmittelbare Gefahr? Sind Kriterien erfüllt, welche eine vorläufige Ausserbetriebnahme des Kernkraftwerks nötig machen? Sind Massnahmen zur Verbesserung der Sicherheit notwendig?
Das ENSI hat deshalb bereits am 18. März 2011 eine erste Verfügung für eine entsprechende Überprüfung angeordnet. Weitere Verfügungen wurden am 1. April und am 5. Mai 2011 erlassen.

Insgesamt werden von den Betreibern drei Nachweise gefordert, die gestaffelt einzureichen sind:

  • Nachweis der Beherrschung des 10'000-jährlichen Hochwassers bis zum 30. Juni 2011.
  • Nachweis der Beherrschung des 10'000-jährlichen Erdbebens bis zum 31. März 2012.
  • Nachweis der Beherrschung der Kombination von Erdbeben und erdbebenbedingtem Versagen der Stauanlagen im Einflussbereich des KKW bis zum 31. März 2012.

Ausserbetriebnahme - wann?
Die Betreiber müssen bis zu diesen Daten nachweisen, dass ein Schadensfall mit erhöhter Strahlenbelastung ausgeschlossen werden kann. Wenn nicht, wird das ENSI die vorläufige Ausserbetriebnahme des entsprechenden Kraftwerks verfügen. Allfällige Nachrüstmassnahmen wären umzusetzen, während das Kernkraftwerk abgeschaltet ist.
Auch wenn keine unmittelbare Gefahr droht und die Ausserbetriebnahmekriterien nicht erreicht werden, muss das Ereignis bezüglich der Auswirkungen auf die Sicherheit bewertet werden. Im Rahmen dieser Analyse sind die nötigen Massnahmen zur Erhöhung der Sicherheit abzuleiten und umzusetzen. Diese Arbeiten werden voraussichtlich mehrere Jahre dauern und können vorgenommen werden, während das Kernkraftwerk in Betrieb ist.

Erste Sofortmassnahme: Externes Lager mit Notfallgerätschaften
Als erste Sofortmassnahme im Bereich des Notfallmanagements hatte das ENSI bereits am 18. März angeordnet, dass jedes Kernkraftwerk zur Bekämpfung von schweren Unfällen bis zum 1. Juni 2011 Zugang zu einem externen Lager haben muss, in dem zusätzliche Sicherheitsausrüstungen bereitstehen. In der Verfügung vom 18. März hat das ENSI die Bewilligungsinhaber darüber hinaus aufgefordert, die Kühlwasserversorgung, die Brennelementlagerbecken und die Brennelementlagerbeckenkühlung aufgrund der Erkenntnisse von Fukushima bis zum 31. März 2011 neu zu überprüfen.

Erste Resultate der Überprüfungen
Die Betreiber haben ihre Berichte termingerecht eingereicht. Das ENSI hat die Eingaben im April überprüft und die folgenden Schwachstellen identifiziert:

  • KKW Beznau: Das Erdbebenverhalten des Brennelementlagergebäudes ist verbesserungsbedürftig. Die Brennelementbeckenkühlung ist nicht genügend vor Erdbeben und Überflutung geschützt. Die Notfallmassnahmen zur Wiederherstellung der Kühlung nach Erdbeben oder Überflutung sind unvollständig.
  • KKW Gösgen: Der Füllstand und die Temperatur des Brennelementlagerbeckens werden im Hauptkommandoraum angezeigt, nicht aber im Notstandleitstand.
  • KKW Leibstadt: Der Füllstand und die Temperatur des Brennelementlagerbeckens werden im Hauptkommandoraum angezeigt, aber nicht störfallfest. Im Notstandleitstand werden diese Messwerte nicht angezeigt.
  • KKW Mühleberg: Die Kühlmittelversorgung für das Notstandsystem weist keine Alternative zur Kühlwasserentnahme aus der Aare auf. Die Brennelementbeckenkühlung ist nicht genügend vor Erdbeben und Überflutung geschützt. Die Notfallmassnahmen zur Wiederherstellung der Kühlung nach Erdbeben oder Überflutung sind unvollständig.

Diese festgestellten Mängel stellen keine unmittelbare Gefahr für die Bevölkerung dar und erfordern deshalb keine vorläufige Ausserbetriebnahme.
Verbesserungsmassnahmen zur Behebung dieser Mängel sind bis zum 31. August 2011 dem ENSI einzureichen.

Ergänzende Forderungen des ENSI
Infolge der Erkenntnisse aus den ersten Berichten der Betreiber hat das ENSI am 5. Mai 2011 eine weitere Verfügung erlassen: Darin verlangt die Aufsichtsbehörde von allen Kernkraftwerken Massnahmenvorschläge zur Behebung der genannten Schwachstellen sowie zusätzliche Nachweise zur Erdbeben- und Hochwassersicherheit der Brennelementlagerbecken und zum Schutz der Brennelementlagerbecken vor Wasserstoffexplosionen.

Massnahmen im Bereich Notfallmanagement
Aufgrund der beobachteten Schwierigkeiten in Japan empfiehlt das ENSI den zuständigen Bundesbehörden dafür zu sorgen, dass bei schweren Unfällen künftig spezialisierte Einheiten mit ihrem Personal und Material schnell zur Unterstützung der Betriebsmannschaft beigezogen werden können.

Wichtigste Termine

Die Anordnungen des ENSI umfassen somit eine Reihe von zeitlich gestaffelten Untersuchungen und Massnahmen. Die wichtigsten Termine sind der 30. Juni 2011 und der 31. März 2012. Bis dann sind die Nachweise zu den Ausserbetriebnahmekriterien einzureichen, die für den Weiterbetrieb der Kernkraftwerke entscheidend sind.

Dokumente
Stand der Abklärungen zum KKW-Unfall von Fukushima (Japan) und Stand der Massnahmen und der vorzeitigen Sicherheitsüberprüfungen bei den schweizerischen Kernkraftwerken:

Hintergrundinformation

Nach dem Unfall in Fukushima hat das ENSI am 18. März 2011 erste Verfügungen an die Kernkraftwerksbetreiber erlassen:

In weiteren Verfügungen vom 1. April 2011 gab das ENSI den Betreibern der Kernkraftwerke vor, wie sie bei der Überprüfung der Auslegung bezüglich Erdbeben und Überflutung vorzugehen haben:

Das ENSI veröffentlicht die Antworten der Kernkraftwerksbetreiber auf die mit der Verfügung vom 18. März 2011 gestellten Fragen unter Beachtung der geltenden Informations- und Datenschutzvorschriften. Entsprechend sind Personendaten und sicherungsrelevante Daten eingeschwärzt worden:

Basierend auf diesen Antworten hat das ENSI am 5. Mai 2011 folgende Verfügungen erlassen:

Text: Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI

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