Was im Gesetzesentwurf fehlt, ist die Differenzierung der Funktionalität des Stromnetzes.

SES zur Strategie Stromnetze: Neue Hochspannungsleitungen für noch mehr Stromhandel und mehr Dreckstromimporte?

(SES) Parallel zur Energiestrategie 2050 erarbeitet der Bund die Strategie Stromnetze mit dem Ziel, «Engpässe» zu beseitigen und das Übertragungsnetz rascher auszubauen. Das ist unnötig, meint die Schweizerische Energie-Stiftung (SES) und lehnt es daher auch ab, dass Stromleitungen «nationale Bedeutung» erhalten.

Was im Gesetzesentwurf fehlt, ist die Differenzierung der Funktionalität des Stromnetzes: Kommen die Engpässe durch den kommerziellen Stromhandel oder die Versorgungssicherheit zustande? Solange das nicht klar ist, ist wenig Akzeptanz für neue Leitungen zu erwarten. Der Gesetzesentwurf ist bis 16. März in der öffentlichen Vernehmlassung. Heute fliessen rund 11% des europäischen Stroms durch die Schweiz. Am europäischen Gesamtverbrauch macht der Schweizer Stromverbrauch aber bloss 3% aus. Das zeigt: Die Schweiz ist bereits heute die grösste Stromdrehscheibe Europas und bestens ins europäische Stromnetz integriert. Bezüglich Versorgungsqualität ist die Schweiz im europäischen Vergleich top [1], ein Ausbau des bestehenden Netzes ist schwer zu begründen, zumal die vielen Stromleitungen nicht einzig für den Ausgleich der einheimischen Kraftwerke (z.B. geringere Produktion der Flusskraftwerke im Winter)eingesetzt werden, sondern vor allem für den internationalen Stromhandel und die Stromveredelung mittels Pumpspeicherwerken. Das Handelsvolumen übersteigt inzwischen sogar den Landesverbrauch. Von den Grenzkapazitäten her könnte theoretisch der gesamte Landesverbrauch importiert werden.

Anderes Netz benötigt
Ein Ausbau der dezentralen erneuerbaren Energien gemäss Energiestrategie 2050 braucht ein anderes Netz als die bisherige zentrale Grosskraftwerkspolitik. Mit der Dezentralisierung des Kraftwerksparkes nimmt der Bedarf an Übertragungsleitungen ab, da der Strom dort produziert wird, wo er auch verbraucht wird. SES-Projektleiter Felix Nipkow stellt fest: «Die alten von der Elektrizitätswirtschaft getriebenen Pläne basieren auf einer Strategie mit neuen Atomkraftwerken. Unter der Prämisse von dezentralen, erneuerbaren Energien muss ein anderes Netz geplant werden.»

Damit die Öffentlichkeit qualifiziert beurteilen kann, ob eine neue Leitung oder ein Ausbau einer bestehenden Sinn macht, muss sie wissen, wofür diese überhaupt benötigt wird. Genau diese Information ist aber nicht vorhanden. Die SES fordert die Netzbetreiber auf, offen zu legen, zu welchen Anteilen eine Leitung für die Versorgungssicherheit beziehungsweise für den Handel eingesetzt wird. «Die StromkonsumentInnen haben ein Anrecht darauf, zu wissen, ob eine Leitung wirklich nötig ist oder nur der Gewinnvermehrung der Stromhändler dient. Schliesslich müssen sie die Leitungen am Ende bezahlen.» fordert Felix Nipkow.

Nationales Interesse nicht gerechtfertigt
Auch ein nationales Interesse für Stromnetze ist nicht per se gerechtfertigt. Solange für ein einzelnes Leitungsprojekt nicht die versorgungstechnische Notwendigkeit nachgewiesen werden kann, ist das Bedürfnis nicht gegeben. Für diesen Nachweis muss eine bedarfsgerechte Reduktion des gewerblichen Stromhandels zu Engpasszeiten angenommen werden – die so frei werdenden Leitungskapazitäten können dann für die Versorgungssicherheit genutzt werden. In der Regel sind zudem die Bedürfnisse der Stromübertragung inklusive Handelsinteressen auch unter Wahrung der Schutzinteressen möglich, indem alternative Leitungsführungen (zum Beispiel entlang bestehender Infrastruktur wie Strassen) beziehungsweise Teilverkabelungen in Erwägung gezogen werden.

Anmerkung zum Text:
[1] Rang 3 von 26 im 5-Jahres-Schnitt gem. CEER Benchmarking Report 5.2 on theContinuityofElectricitySupply, Ref: C14-EQS-62-03, 12. Februar 2015 >>

SES-Stellungnahme zur Vernehmlassung Strategie Stromnetze >>

Text: Schweizerische Energie-Stiftung (SES)

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